
Hallo und guten Morgen ihr Lieben,
eigentlich mag ich den Duft von Lavendel nicht so sehr. Zumindest nicht wenn er sich in meiner Wohnung verteilt und im Übermaß alles andere überdeckt.
Aber ich liebe dieses Lila.
Und die Kontraste in der Natur.
Und überhaupt die Vorstellung von endlosen weiten lilafarbenen Feldern.
Denn dieses Lila steht wie keine andere Farbe für mich für das Gefühl von Geborgenheit.
Als ich ein Kind war, sagte meine Mutter häufig diesen Ausspruch: „Lila ist der letzte Versuch.“
Ich habe es verstanden als: „Lila ist ganz schrecklich, das kann niemand mögen.“
Lila gab es in meiner Kindheit nicht.
Geborgenheit auch nicht wirklich.
Mir vorzustellen, ganze Felder und Landschaften voll lilafarbigen Blüten, als Kind hätte das meine Vorstellungskraft gesprengt.
Und noch mehr wäre es unerwünscht gewesen, ich hätte ausgerechnet diese Farbe zu meiner liebsten Farbe erklärt.
Ich hatte ein unausgesprochenes Ziel, was über allem stand.
Meiner Mutter gefallen wollen.
Von ihr geliebt werden.
Ich musste also alles tun, damit ich dem entspreche, was sie mag.
Sie mag nicht Lila und nicht Grün.
Also liebte ich Blau, das schien in Ordnung zu sein.
Welches ihre Lieblingsfarbe ist, das weiß ich bis heute nicht.
Zumindest weder Lila noch Grün.
Aus purem Protest habe ich als Teenager angefangen, grüne Sachen zu wollen.
Sie konnte es nicht ausstehen, diese Farbe immerzu vor Augen zu haben.
Wenn sie mich schon nicht lieben kann, dann soll sie mich wenigstens hassen.
Immerhin nimmt sie mich dann überhaupt wahr.
Wenigstens bemerkt sie mich dann.
Es war mein Protest gegen all die Gleichgültigkeit an meiner Person.
Ein Rebellieren gegen einfach alles.
So zumindest wirkte es.
Und wenn ich heute in meinen Kleiderschrank schaue, sehe ich einen ganzen Stapel in jedem erdenklichen Grün.
Und der Pulli den ich in diesem Winter am meisten getragen habe ist so lila wie die Lavendelfelder.
Gegen meine Mutter rebellieren brauche ich schon lange nicht mehr und ich mache es auch nicht.
Vielleicht habe ich es nie wirklich beabsichtigt.
Nur gewirkt hat es wie eine Rebellion.
Und eigentlich war es der Kampf eines Teenagers, sich zu befreien von den Fesseln, die Regeln auferlegt haben, die nicht passten.
Ich wollte ich sein dürfen.
Mit eigenen Vorlieben und eigenem Geschmack.
Ich wollte lieben dürfen, was mir gefällt und ablehnen was ich nicht mag.
Einfach ganz und gar ich sein dürfen, ohne dafür abgelehnt oder bestraft zu werden.
Ohne überhaupt angedichtet zu bekommen, damit etwas erreichen zu wollen.
Ich wollte einfach die Farben um mich, die mir gefallen.
Keine Kommentare, dass Lila der letzte Versuch sei und Grün hässlich ist und Rosa was für kleine Mädchen.
Erst viele Jahre später gestattete ich mir, eine eigene Meinung zu haben, die nur mir entsprechen musste.
Ich gestattete mir erst dann, frei zu wählen was ich mag und was ich nicht mag.
Ich mag kein Rot.
Das mochte ich noch nie.
Und dennoch habe ich vor einiger Zeit, als die Geschäfte noch geöffnet waren, rote Bettwäsche gekauft.
Einfach, weil es manchmal Ausnahmen gibt und weil nicht alles für immer und jeden Moment gilt.
Ich habe die gleiche Bettwäsche auch in pastellfarbenem Lila.
Und ich liebe sie beide.
Während ich keine einzige Bettwäsche in grün besitze, obwohl ich den ganzen Schrank voll grüner Bekleidung habe.
Ja, und da spüre ich die alten Regeln meiner Mutter.
Danach müsste die Bettwäsche in den Farben sein, die ich auch im Alltag trage und mag. Unterschiede wären Indizien für Widersprüchlichkeit. Die würden mich als unsicher entlarven. Was aus ihrer Sicht schlecht war.
Ich nenne es heute vielfältig.
Ich liebe bunt und individuell.
Ich habe die Begrenzungen im Denken meiner Mutter als Kind übernehmen müssen.
Es waren die Begrenzungen nach denen ich mich richten musste, um gut mit ihr leben zu können.
Heute fühle ich sie manchmal noch wie der Nachhall von Fesseln, die sehr lange und viel zu fest an Körper und Seele waren.
Es ist ein Echo von etwas, was lange schon nicht mehr da ist.
Ich habe mich davon befreit.
Auch wenn ich in meinem Herzen noch den Kummer fühlen kann, nicht von meiner Mutter geliebt gewesen zu sein.
Es tut mir für das Kind was ich war unendlich leid.
Denn es gab nichts an mir, weshalb ich nicht liebenswert gewesen wäre.
Höchstens die Tatsache, dass ich nicht wirklich Ich sein konnte.
Nicht mal in meiner Phantasie.
Auch wenn ich da meinen roten Wollpulli gegen ein lila Sweatshirt tauschte.
Nichts in der Welt hätte meine Mutter von ihrem Seelenleid befreien können.
Einzig sie selbst hätte es gekonnt, wenn sie es gewollt hätte.
💜
Ich wünsche euch nun einen schönen, entspannten Sonntag.
🌈💜💕💜🌈