Hallo ihr Lieben,
in einer Woche um diese Zeit werden wir hoffentlich längst auf der Autobahn und in Richtung Norden unterwegs sein.
Einerseits kann ich es kaum erwarten, dass es endlich soweit ist und andererseits sind in mir so viele mulmige Gefühle.
Es geht mir einfach nicht gut.
Jede kleine Veränderung macht so eine Angst, dass ich nur noch weg will.
Was, wenn dort an meinem Wohlfühlort die Welt nicht mehr ist wie vor der Pandemie? Was, wenn dort die Folgen spürbarer sind als ich es ertrage?
Ich träume mich gedanklich an den Strand. In unendliche Weite. Sehe die Schiffe, wie sie sich am frühen Morgen vor dem Hafen aufreihen als würden sie dort die Sonne und den Tag begrüßen wollen.
Was, wenn sie das nicht mehr tun?
Was, wenn die Sonne nicht mehr aufgeht und nicht mehr untergeht?
Und wenn es nicht mehr Tag wird?
Und wenn es nicht mehr Abend und Nacht wird?
Solche Fragen tauchen in mir auf.
Fragen, die kaum jemand stellt, weil es so ganz und gar unwahrscheinlich erscheint.
Und ich stelle sie dennoch und entgegne gerade heraus:
„Und wenn doch?“
Ohne dabei irgendwas seltsam zu finden.
Ich ziehe meine Gewichtsdecke bis unter mein Kinn und es fühlt sich ein bisschen an als würden sich Arme um mich schlingen.
Ich brauche so viel mehr als diese Vorstellung von Nähe.
Wer weiß schon, wie es weitergehen wird? Was die Zukunft bringen wird?
Wer weiß schon, wie das Land in einigen Wochen regiert werden wird und welche Maßnahmen in Sachen Corona dann bestimmt werden?
Ich ertrage nicht mehr diesen Abstand zu dem einzigen Menschen dessen Nähe nie zu nah war.
Und ich fürchte, dass nach all der langen Zeit die Nähe komisch fremd sein könnte und zerstört ist, was sich einzig sicher angefühlt hat.
In diesem Zwiespalt scheine ich gefangen.
Angst und Sehnsucht.
Und nicht glauben können, dass ein Mensch mich wirklich liebt wie ich bin, wenn ich nicht alle Energie verwende, normal zu erscheinen. Wenn ich nicht weiter kämpfen und mich anstrengen will, um so normal wie möglich zu werden.
Ich will die Welt auf meine Weise erleben dürfen.
Ich will sie riechen, schmecken, fühlen, wie ich das kann.
Ich will sie erleben, so wie meine Sinne sie wahrnehmen können.
Ich will nicht verbogen werden.
Nicht durch die insistierenden Fragen, die doch nur suggerieren, dass ich mich mehr anstrengen müsse. Dass ich doch leben wollen muss wie die meisten Menschen es tun. Ich muss doch verstehen können wollen wie es all die neurotypischen Menschen selbstverständlich tun.
In mir sammelt sich das Tränenmeer und wird zu einem Ozean bei Sturmflut.
Ich bin es müde, immer werden zu sollen.
Immer schaffen zu müssen.
Immer besser werden zu sollen.
Ich mag nur endlich sein dürfen.
Und ganz genau so gewollt sein.
Denn so bin ich auf die Welt gekommen.
So war ich vorgesehen.
So sollte ich sein.
So und nicht anders.
Ich wäre wohl weniger traurig, weniger bekümmert und weniger zurückgezogen, es würde niemand denken, was ich alles erreichen sollte und müsste. Es würde mir niemand sagen, wie schade es doch sei und wie absurd, wenn ich nicht dieses erreichen wollen würde oder jenes anders lernen wollte.
Manches kann ich lernen und das tue ich auch gerne. Auch dann, wenn es mühsam ist.
Und dennoch, meine Wahrnehmung bleibt immer anders als die von neurotypischen Menschen.
Ich erlebe die Welt einfach anders und ich reagiere anders auf sie.
Auch wenn ich mit jedem bisschen was ich gut über mich verstehe auch ein bisschen mehr erahnen kann, wann ich nachfragen sollte, ehe ich von der Bedeutung von etwas ausgehe.
Ich bin traurig, wenn mir dieser Schwall entgegenströmt, der nichts sagt als dass ich kämpfen soll, doch zu denken wie die anderen. Doch wahrzunehmen wie die anderen. Doch zu sein wie all die anderen.
Und doch bitte dennoch ich bleiben soll.
Es überspült mich mit Traurigkeit, wenn ausgerechnet dieser eine Mensch es sagt, der in meinem Herzen wohnt.
Weil es doch irgendwie bedeutet, dass ich nicht okay bin. Dass ich nicht geliebt bin.
Dass ich einfach anders werden soll…………
Weil ich so nicht verstanden werde.
Weil es doch so so schwierig für mich ist.
Das dachte schon meine Mutter und wollte mich zu einem „Normalo“ erziehen.
Sie hat mich gelehrt so zu tun als ob ich normal wäre.
Damit ich es leichter habe.
Und sie hat nie gehört, dass es dadurch so viel anstrengender wurde.
Weil ich nicht bin was ich scheine, sondern nur so tue als ob, damit die anderen es leichter mit mir haben.
Ich habe zu viel geweint. Mich leergeweint.
Jetzt mag ich die Decke über mich ziehen und wenigstens fühlen als wäre da jemand, der mich umarmt und tröstet. Als wäre da jemand, der mich versteht.
Euch wünsche ich einen angenehmen Samstag. Habt einen schönen Tag.
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