Alltags-Wahnsinn

SocialMedia-Re-Traumatisierung unter dem Decknamen Helfer

#wonderapp

Ich erinnere mich schon mit leichtem Ziehen im Bauch an die Zeit, als SocialMedia noch eher in Form von Foren bestand. Eine Zeit in der ich hilfesuchend nach jedem sich mir bietenden Strohhalm griff, immer in der Hoffnung sowas wie eine Erlösung von diesem schrecklichen Überlebenskampf zu finden, in dem ich mich befand. Abseits von Therapie und professionellen Helfern hoffte ich auf Menschen die verstehen und vielleicht irgendwelche umsetzbaren Tipps parat haben. Erfahrungswerte die ganz vielleicht auch für mich machbar sein könnten.

Schon damals machte ich die Erfahrung, dass sie wie die Hyänen über mich herfielen. Eine Mischung aus Menschen die traumatisiert waren wie ich und denen die sich auf die Fahnen schrieben, selbst geheilt zu sein und nun müssten andere es genauso hinkriegen wie sie. Sie ballerten mir Sätze um die Ohren mit denen ich schlicht nichts anfangen konnte. Sowas wie „Du musst dein inneres Kind annehmen“ oder „Du musst vergeben“. Klingt nett, aber war schlicht nicht umsetzbar.

Was gleich war, waren diese merkwürdigen Kämpfe unter Betroffenen, bei denen es darum ging, wer für sich das schlimmste Leid deklarieren darf. Diese Kämpfe erlebte ich auch auf allen anderen Kanälen und erlebe sie bis heute, wenn ich mal wieder irgendeinen Kommentarstrang unter einem Blogbeitrag lese, bei dem es um Trauma geht oder kurzzeitig in einer dieser Gruppen Mitglied bin. Kurzzeitig, denn lange bin ich da irgendwie nicht mehr. Zumindest aktuell nicht mehr.

Nicht mehr seit ich meine eigene Facebook-Gruppe aufgelöst habe und jeder Versuch, eine neue Gruppe zu installieren bisher daran scheiterte, dass schlicht keine Aktivität entsteht.

Aber ich kenne dennoch Gruppen zu diversen Themen. Und eines eint sie alle. Das System in dem es Admins, Moderatoren und Mitglieder gibt. Hierarchie wie es sie auf den meisten Arbeitsstellen auch gibt. Allerdings mit dem Unterschied, dass hier weder Administrator noch Moderator irgendwelche besonderen Kenntnisse oder Fähigkeiten benötigen, um diese Position auszufüllen. Niemand hinterfragt, ob sie geeignet sind. Einzig sie selbst entscheiden. Auch in Familien gibt es diese Hierarchie. Inklusive dessen, dass die Oberhäupter absolute Macht haben. So nun auch selbige Struktur in SocialMedia-Gruppen.

Was sind das für Menschen und wie agieren sie?

Mit Macht über andere.

Da wird eine tolle Gruppe installiert, mit dem Wunsch, dass dort Menschen einen guten Ort finden, die mit den Folgen aus Traumatisierung in ein eigenes Leben finden wollen. Menschen die Leid erfahren haben durch meist sehr übergriffige Menschen, die Regeln aufstellten, die gewöhnlich nur zu ihrem eigenen Nutzen waren. Undurchsichtige Regeln zumeist, die viel Spielraum für Interpretation ließen, nur um das Opfer jederzeit abstrafen zu können.

Nun bin ich bedingt durch mein autistisch geprägtes Gehirn so veranlagt, dass ich Strukturen immer hinterfrage und analysiere. Ich gleiche ab mit dem was mir bekannt vorkommt. Insbesondere, wenn ich spüre wie meine traumatisierten Anteile unruhig werden. Sie werden das ja nicht, wenn da nichts an Trauma erinnert. Das tut es in diesen Gruppen aber.

Das tut es, weil SocialMedia scheint als wenn es die ganze Welt umfasst. Dort einem Shitstorm ausgesetzt fühlt es sich an als wenn die ganze Welt nun darum weiß und jeder einen hasst. Jede dort erlebte Demütigung verstärkt das Gefühl, von den Menschen abgelehnt zu werden. Man wagt es noch weniger, Kontakte zu knüpfen, weil man fürchtete, es würde einem in der realen Welt genauso ergehen. Und so ganz real würde sich das dann ja noch viel schlimmer anfühlen. Also lieber zurückziehen und für sich bleiben.

Doch das ist nicht mal die schlimmste Ähnlichkeit.

Nein, es sind die Regeln und Vorgehensweisen der Admins. Dieses Konstrukt der Macht. Regeln die wenig konkret sind, immer Raum lassen nach Belieben ausgelegt zu werden, nur um das Mitglied jederzeit und ohne Erklärung auszuschließen. Und damit man sich auch nicht im Nachhinein erklären muss, wird es direkt blockiert. Und das alles als sogenannter Helfer in einer Gruppe für Menschen mit DIS und anderen komplexen Traumafolgen.

Das ist aus meiner Sicht re-traumatisierendes Verhalten.

Und es zeigt mir ein ums andere Mal, dass diese Gruppen nicht sicher sind. Nicht sicher im Hinblick darauf, dass man nie weiß ob sich hinter Profilen nicht Täter verbergen. Aber auch, weil sich auf diesen Positionen derer die Entscheidungsmacht haben oft diejenigen befinden, die Macht ausnutzen, um sich über Mitglieder zu erheben. Scheißegal wie es denen geht, die sind doch nur Namen, keine echten Menschen. Da macht man sich doch frei von, dass die im realen Leben dann vielleicht leiden. Abgehakt, erledigt, weitermachen. Dass der zuhause sitzt und sich gedemütigt fühlt, re-traumatisiert ist, weil isoliert von der Gruppe und den vorherigen Kontakten, tangiert den Admin nicht.

Und dann heißt es doch immer wieder so schön, wer dort schreibt muss auch damit umgehen können, dass Gegenwind kommt. Sowas habe ich auch hier auf meinem Blog schon erlebt. Und ganz ehrlich, die Leute blockiere ich für weitere Kommentare. Nicht, weil ich deren Meinung nicht lesen will, sondern weil ich auf meinem Blog auch dann schreiben können möchte, wenn ich nicht belastbar genug bin, um mich gegen Angriffe zu wehren. Solchen Angriffen ist man schlicht nicht immer gewachsen und schon gar nicht wenn man noch am Anfang steht und sehr schnell getriggert ist.

Da braucht man Schutz und Admins, die genau diese Schutzbedürftigkeit im Blick haben und nicht die bestärken, die draufhauen.

Und überhaupt ist es der helle Wahnsinn, wenn dann wild auf die eingewirkt wird, die eh schon völlig drüber sind, weil sie getriggert wurden und dadurch alles nur noch durch die Traumabrille wahrnehmen. Wie schlimm, wenn das dann der Admin selbst ist und in diesem Zustand mal eben entscheiden kann, jeden rauszukicken, der gerade anderer Meinung zu sein scheint.

Und ganz besonders gruselig wird es für mich, wenn es sowas wie ein Anhimmeln eines Admins oder einer bestimmten Person gibt. Erinnert mich doch sehr an die Gruppierung in der ich als Kind schwerstens traumatisiert wurde. Auch dort wurde ein Mensch angebetet, der für die wenigsten dort ein Gesicht hatte. Es war ein Name eines Mannes, der irgendwo irgendwann diese Gruppe oder gar eine ihr übergeordneten Gruppen gegründet hatte. Auch diese Ähnlichkeit findet im SocialMedia statt. Der Admin ohne Gesicht und realen Background, über den nichts gewusst wird als das was er dort schreibt. Nicht bekannt wo der lebt und wie der lebt. Hat sich selbst auf den Posten gesetzt, um sich anbeten zu lassen als der Große, der Tolle, der sich um alles kümmert.

Da dröhnt der Verdacht des Narzissmus mir durch den Kopf.

Und dann sammle ich doch lieber all meine gezeigten Splitter wieder ein. Schäme mich in Grund und Boden für meine Offenheit und jeden mitgeteilten Gedanken. Schließe die Tür hinter mir und ziehe mich in den sicheren Ort meiner verschlossenen Wohnung zurück.

Re-traumatisiert von der Übergriffigkeit eines Täters, der mich öffentlich beschämt und weggeworfen hat.

Nur weil meine Worte durch die Traumabrille gelesen wurden oder schlicht im Kleinsten der Verdacht aufgekommen sein könnte, dass ich „den Guru“ nicht verehre.

Ich hoffe einfach, dass andere Betroffene gut auf sich achten. Denn dann klingen die Worte einer lieben Freundin in mir nach. Sie sagte: „Du kannst nicht die ganze Welt retten. Deshalb konzentriere dich erstmal darauf, dich zu retten.“

Ich bin nicht gut darin, nicht alle beschützen zu wollen.

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