Alltags-Wahnsinn

Traumatherapie betrachten


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Kürzlich schrieb ich davon, dass Trauma bewirkt, dass wir den Glauben an uns selbst verlieren. Nun, dazu gibt es noch einige Gedanken mehr in meinem Kopf.

Was ist denn die Ausgangssituation, aus der heraus wir zumeist Hilfe suchen?

Selbstverletzendes Verhalten?
Flashbacks?
Depressionen?
Suizidgedanken?
Angstzustände und Panikattacken?
Intrusionen?
Beziehungsprobleme?
Schwierigkeiten am Arbeitsplatz?
…..

Dann suchen wir Rat bei einem Therapeuten und es kommt das Thema Traumatherapie auf.

Unglaublich oft habe ich gelesen und gehört, dass Menschen die Traumatherapie scheuen, weil das ja zu belastend ist und sie das gerade nicht können und überhaupt, sie das ja zu heftig finden.

Ich will niemandem ausreden, dass Traumatherapie anstrengend ist.

Sie ist verdammt anstrengend und alles andere als ein entspannter Spaziergang.

Aber ein entspannter Spaziergang war eben auch nicht was wir erlebt haben, in all den Kindheitsjahren und der Zeit danach.
Es war kein Spaziergang, sondern glich doch eher einer rasanten Achterbahnfahrt die nicht zu enden schien.

Und die, die sich wagen, eine Traumatherapie in Betracht zu ziehen, haben nicht selten die Vorstellung, dort über all das reden zu müssen was sie erlebt haben, damit sie es loswerden und es sich dann auflösen kann.
Und genau das geht ja oft gar nicht.

Das ist zu schmerzhaft, zu schlimm.
Da hat man keine Worte und vor allem:
Darüber darf nicht gesprochen werden.
Und genau daran halten sich die meisten, wenn auch oft unbewusst.
Hinzu kommt, dass Missbrauch meist sehr viel Schamgefühl bewirkt und nichts läßt uns besser geheimhalten als Scham.

Nun, eigentlich geht es in der Traumatherapie aber gar nicht darum, sagen zu müssen was geschehen ist. Schon gar nicht geht es darum, einem vollkommen fremden Menschen anvertrauen zu müssen wofür ich mich schäme.

Viel mehr ist es eine Reise zu mir selbst.
Im Fall von frühkindlicher, (oft daraus resultierender) komplexer Traumatisierung, mag ich das damit vergleichen, eine Kernsanierung am eigenen Leben vorzunehmen.
Es geht viel weniger darum, was wir erlebt haben, als eben darum, was das in uns bewirkt hat.
Es geht auch um den Schmerz und das Leid.
Aber noch viel wichtiger ist all das, was für uns daraus gefolgt ist.

Es geht um diese Kettenreaktionen. Die Muster, die entstanden sind und sich in all den Jahren immer mehr verfestigt haben.
Gedankenmuster.
Handlungsmuster.
Gefühlsmuster.
Abläufe, die wieder und wieder so stattfinden.

Es geht darum sie zu erkennen und verstehen zu lernen, wozu sie nützlich waren, warum sie gelernt wurden, um sie dann heute bewusst für sich zu nutzen.

So eine Kettenreaktion sind bei mir z.B. Suizidgedanken in bestimmten Situationen.

Ich kenne einige viele Momente in denen ich mit Suizidgedanken reagiert habe. Es ist ein probates Mittel, was vielschichtig Wirkung hat.
Aus all dem sticht eine Sache gerade deutlich heraus.

Sowas habe ich z.B. in der Traumatherapie gelernt. Mich dem zuzuwenden, was obenauf liegt. Den Faden zu greifen und schauen was sich daraus entwickelt.

Irgendwann stellte sich diese Situation ein, in der ich suizidal war. Sie schien aus heiterem Himmel zu kommen und wurde begleitet von einem Rückzug in mich selbst und einer Egal-Stimmung.

Dann habe ich den Faden aufgenommen……….
Stellt euch ruhig ein Wollknäuel vor, was verheddert ist und zieht an dem Faden. Hatte ich erst kürzlich mit einer verknoteten Schnur an einer Lamellenjalousie.

So habe ich meine Suizidalität entknotet.
Und es gab da einige viele Knoten.

Also, das Ende war, dass ich mein Leben scheinbar beenden wollte.
Eine Windung bestand darin, alles als egal zu empfinden. Also gefühlstaub zu sein.
Eine andere Verknotung bestand im Rückzug.
Das war recht offensichtlich.

Doch meine Reise führte mich zu Selbstschutz, Selbstliebe, Lebensangst, Hilflosigkeit, Schutzbedürftigkeit und Überflutung.

Im Kern, als ich sozusagen die dicksten Knoten aufzulösen versuchte, verstand ich erst, dass die Suizidalität nur das Ergebnis einer Überflutung mit einem Zuviel an Fremdbestimmung war.
Und wie folgerichtig da doch der Rückzug ist und wie sehr ich dann doch auch die Stille mit mir selbst brauche. Und doch eigentlich das komplette Gegenteil von Tod suche, nämlich ein eigenes, selbstbestimmtes Leben, in dem mir niemand vorschreibt, wer und wie ich zu sein habe.

Sowas leistet Traumatherapie.
Dazu ist sie wichtig.

Sie hilft mir, mich selbst verstehen zu lernen.
Und wenn ich mein Handeln und Fühlen verstehe, dann muss ich es auch nicht mehr fürchten.
Und was ich nicht fürchten muss, vor dem muss ich auch nicht flüchten.

So macht es mir keine Angst mehr, mich zu erinnern, weil ich weiß, dass Erinnerungen nur ein Zeichen sind, dass es auf meiner Seele Narben gibt. Und manchmal sind da auch noch Wunden. Erinnerungen zeigen mir, dass es da noch etwas gibt, was versorgt werden mag.

Dissoziation zeigt mir nichts anderes als die Tatsache, dass etwas zu viel war und zu schnell ging oder ich schlicht in etwas geraten bin, wo ich nicht mehr selbst bestimme und entscheide, ob ich das will.

Der Impuls mir zu schaden, entsteht dann, wenn ich ein Zuviel von etwas fühle.
Das kann ein schönes Gefühl sein, was zu viel ist oder auch ein unangenehmes Gefühl.
Es kann zu viel an Leid gefühlt werden in Form von Angst, Schmerz oder Traurigkeit, aber auch an Wut und Aggression.
Und genauso kann die Gefühlstaubheit zu viel sein und den Impuls auslösen, mir Schmerz zufügen zu müssen, um mich zu spüren oder doch wenigstens wieder im Alltag funktionieren zu können.

Fragst du mich, was aber die Therapiemethode ist durch die ich gelernt habe, das zu verändern, kann ich sie dir nicht nennen.

Es war mein Wille, verstehen zu wollen.
Es war meine Fähigkeit, alles zu hinterfragen und analysieren zu wollen.

Und es war meine Liebe zu mir und meinem Leben.

Auch wenn ich davon keine Ahnung hatte, weil die unter hunderten von Eisschichten verborgen war.

Wir haben diese Schichten behutsam schmelzen lassen.
Tropfen für Tropfen.
Und manchmal sind ganze Brocken von meiner Seele abgefallen.
Das waren die Momente, in denen ich eine ungewohnt geborgene Nähe zu mir selbst empfand.

Das waren die Momente in denen ich wusste, dass Heilung möglich ist.

Alltags-Wahnsinn

Narben die schmerzlich bleiben


Wir haben eine Gruppenübung zum Thema „Wie sehe ich mich, wie sehen mich andere“ gemacht. Dazu hat jeder einen Zettel gekriegt, mit zwei Aufgaben. Als erstes sollten wir aufschreiben mit wem wir was am liebsten machen würden. Dann sollten wir noch einschätzen, wo und wie oft einen jemand wählt. Jeder hat seine Entscheidung vorgelesen und es wurden Striche gemacht, da wo jemand gewählt wurde. Zum Schluss hatte ich nur einen Strich und der war ausgerechnet bei „einer aggressiven Auseinandersetzung“……………

Diese Zeilen habe ich am 21. Oktober 1994 in einem Tagebuch notiert.
Mein Tag endete knapp an einem Beschluss vorbeigeschrammt auf der geschlossenen Station einer mir vollkommen unbekannten psychiatrischen Klinik in einer mir ebenfalls fremden Stadt, gut 100 km von zuhause entfernt.

Die Stunden dazwischen erinnere ich nur vage.
Ich habe vieles dissoziiert, weil alles eine einzige große Bedrohung war.
Ich wollte nur eines:

An einen Ort, der mir sicher schien.

Ich hatte um einen Kontakt zu meiner Bezugstherapeutin gebeten, um mich wieder sicherer zu fühlen.
Ich hatte für mich sorgen wollen.

Es wurde nicht gestattet.
Man hat die Bitte nicht mal an sie weitergeleitet.

Ich wollte die Behandlung in der Rehaklinik abbrechen und nach Hause fahren.
Aber sie sperrten mich unter Aufsicht eines Pflegers ein, der mir Angst bereitete.

Ich war in Todesangst.

Und ich blieb es.

Stunden später fand ich mich in Fluren wieder, die an meine frühere Schule erinnerten. Nur, dass ich hier eingesperrt war und umgeben von Menschen, die mir alle bedrohlich erschienen.

In der Rückblende erscheint mir auch mehr als 25 Jahre später alles wie ein schlechter Film. Ein Albtraum.

Ich hatte in meiner Verzweiflung Trost bei jemandem gesucht, der zu dieser Gruppe gehörte. Und sie hat ihre Wahrnehmung dem Gruppentherapeuten weitergegeben und dann nahm das Schicksal seinen Lauf………..

Ein Problem mit Gruppen hatte ich schon vorher. Immerhin war ich mit Mobbing aufgewachsen. Und ohnehin ja eh ein sensibles Seelchen.
Tja, ich habe gelernt, mir nicht anmerken zu lassen, wie labil ich bin.

Ich trete stark auf.
Mich haut nichts um.
Mir kann man keinen Schaden zufügen.
Mich trifft nichts.

Und dann rotten sich all die zusammen, mit denen ich zuvor sieben Wochen jeden Tag verbracht habe, und entpuppen sich als Menschen, die mich ablehnen. Ich bin dort nicht gewollt gewesen. Nicht so wie ich bin.

Der einzige sichere Ort in dieser Umgebung war die Therapeutin, die meine Tränen kannte, die mir nah sein konnte, ohne mich zu verletzen.
Mir dröhnt es noch heute in den Ohren, wie der Oberarzt mir sagte: „Frau S. sieht das wie ich. Sie will Sie nicht sprechen.“

Die Wahrheit ist, dass sie nichts von dieser Krise wusste.
Man hatte sie nicht in Kenntnis gesetzt.
Sie erfuhr es erst Tage später als ich längst verlegt worden war.

Die Situation in der Gruppe, war aus heutiger Sicht eine Re-Traumatisierung. Alles was dem folgte war ein Überlebenskampf.

Ich spule zurück………
Aufnahmegespäche in der Klinik. Meine Notiz: „Ich will nach Hause! Es macht mir so wahnsinnige Angst, hier mit einem Mann zu arbeiten. Ich will wieder zu G., nur nicht hier bleiben.“
Vier Tage später: „Ich habe ihm auch gesagt, dass ich Suizidgedanken habe. Ich brauche keine Angst haben, dass er mich wieder ins LKH (Landeskrankenhaus) steckt.“

Sieben Wochen später hat er es getan.

Ich kam dort an und war magersüchtig.
Ich ging mit knapp 20 Kilo mehr an Gewicht nach 14 Wochen.
Und verweigerte ab dem ersten Tag zuhause das Essen, um sechs Wochen später noch weniger zu wiegen als bei meiner Ankunft in der Klinik.

Die zugenommenen Kilogramm an Körpergewicht bin ich irgendwie losgeworden.
Aber das was dort in meiner Seele zerstört wurde, das blieb.

Ich will keine Gruppen mehr um mich.
Ich will keinem Mann mehr vertrauen.
Ich will nicht mehr Menschen um mich, die sich im Zweifel gegen mich verbünden, um mich niederzukämpfen.

Ja, ich habe zugelassen, dass ich mich durch all das Verhalten minderwertig gefühlt habe. Natürlich habe ich das.
Ich habe aggressiv gewirkt, um die Gefahren auf Abstand zu halten.
Sie wollte meine Fassade zum Einsturz bringen.
Und dann kamen sie mit dem was dahinter lag nicht mehr zurecht.
Plötzlich war ich zu schwierig.

Oder wollten sie mir gar zeigen, dass ich machtlos gegen sie bin?

Heute würde ich meine Klappe halten und einfach meine Abreise organisieren.
Ich bleibe nicht mehr an Orten an denen ich nicht gewollt bin.

Ganz gleich ob sie virtuell oder real sind.

Alltags-Wahnsinn

Wieder da….


Hallo ihr Lieben,

mancher von euch wird schon gemerkt haben, dass mein Blog wieder öffentlich ist. Es war nie meine wirkliche Absicht, ihn nicht offen zu halten. Als jedoch das neue Datenschutzgesetz kam, sah ich mich gezwungen, die Seite auf „Privat“ zu stellen. Schlicht, weil ich mit diesen Vorschriften überfordert war und auch noch immer nicht durchsteige.

Ich habe in einer schlaflosen Nacht einen Text generiert, der hier auf den Datenschutz hinweist. Was der wirklich bedeutet? Keine Ahnung.

Irgendwie hoffe ich, er reicht.

Denn im Grunde interessieren mich die Daten der Leser so gar nicht und ich habe nicht vor, damit irgendwas zu tun.

Ich mag hier nur Erfahrungen aus meinem Leben teilen. Und Gedanken die in meinem Kopf entstehen.

Anderen eine Chance geben, meinen Weg zu verfolgen und sich inspirieren zu lassen, einmal mit anderen „Augen“ auf das zu blicken, was sie beschäftigt.

Es ist knapp zwei Jahre her, dass ich hier meinen letzten Beitrag geschrieben habe.

Unglaublich viel Zeit, wenn man in einer Entwicklung steckt.

Zwei Jahre?

Wo sind die geblieben?

War das nicht erst letzte Woche?

Vor zwei Jahren, da habe ich noch Angst ausgestanden, wenn ich mit dem Bus fahren musste.

Ich bin nicht alleine einkaufen gegangen und nicht alleine in die Stadt gefahren, ohne die Angst im Gepäck zu haben.

Unter der Dusche habe ich gegen die Panik gekämpft und im Bett lag ich am Abend wach und hatte Todesangst, die mich oft in einem dissoziativen Zustand in den Schlaf brachte.

Schon irre, das zu sehen.

Heute nutze ich Carsharing und genieße diese Freiheit.

Ich gehe einkaufen, wenn es sich stimmig anfühlt und liebe es den Duft des Duschgels unter der Dusche zu riechen.

Am Abend bette ich meinen Kopf auf die „Kuscheljacke“, die noch immer neben mir liegt. In ihrer Brusttasche befindet sich ein Modul was einen Herzschlag hören lässt. Es ist ein Modul für Babys. Egal. Es hilft mir, ruhig in den Schlaf zu kommen.

Vor zwei Jahren, da glaubte ich, dass ich es doch irgendwie nie schaffe. Während ich gleichzeitig allen beweisen wollte, dass es doch möglich ist.

Heute will ich niemandem mehr etwas beweisen.

Ich weiß was ich kann.

Vor zwei Jahren…………….

……. da hatte ich noch keine Ahnung, wie sehr ich meinen Vater liebte und wie tief der Schmerz in mir ist, den mein Bruder mir zugefügt hat.

Ich hatte keine Ahnung, dass ich einmal Klage gegen meinen Bruder einreichen und mich wehren würde. Und ich habe nicht geahnt, wie wichtig das sein wird.

Und ich hatte nicht den Hauch einer Idee, wie es sein wird, wenn ich nicht mehr multiple bin, weil ich es nicht mehr sein muss.

In zwei Jahren, da werde ich vielleicht noch immer hier schreiben.

Vielleicht wird mich mancher von euch noch immer lesen.

Ich werde mich „Heilpraktikerin für Psychotherapie“ nennen dürfen und mitten in der therapeutischen Ausbildung sein. Es wird erste Arbeit mit eigenen Klienten geben.

Und dennoch wird es so sein, dass ich ein Mensch bin, der mit den Folgen frühkindlicher und komplexer Traumatisierung lebt.

Schön, dass es doch noch immer einige gibt, die hier lesen mögen.

Ich freue mich sehr und fände es toll, den einen oder anderen Kommentar zu lesen.

Und ab jetzt gibt es mich hier auch ab und an mal wieder ganz aktuell zu lesen.

Therapieerfahrungen

scheinbar zweifelhafte Wege


Wenn ich soweit zurückdenke, wie ich mich bewusst an mich und mein Leben erinnern kann, wobei ich in der Pubertät lande, sehe ich mich als jemand, der immer dagegen war. Auf alles hatte ich ein Aber und nichts war so gut wie andere es für gut befanden. Was anderen gefiel fand ich total daneben. Einfach so, aus Prinzip. Ich war immer dagegen. Und ich habe immer in gewisser Weise provoziert. Sei es dadurch, dass ich Löcher in meine Klamotten schnitt oder sie gar mit Lackfarbe besprühte. Oder dadurch, dass ich eine rote Glühbirne in die Deckenlampe meines Zimmers drehte und alle sich darüber aufregten. Ich hasste mein Fahrrad, weil es keine Stange hatte und fuhr lieber mit dem Rad des Freundes. Es sah so cool aus und es war ein richtiges Herrenrennrad. Ich wollte mich nicht mehr anpassen, wollte nicht mehr lieb und nett sein. Ich ließ mir meine langen Haare raspelkurz schneiden und mir in jedes Ohr ein zweites Loch stechen, was die Eltern alles nie erlaubt hätten. Ich trug viel zu große Pullis und zog immer die Ärmel über die Hände. Und manchmal zog ich sie einfach auf links gezogen an. Einfach nur weil man das eigentlich nicht tut. Ich wollte nicht wie andere einen normalen Beruf lernen. Hatte mir in den Kopf gesetzt Schauspielerin zu werden. Ich war nicht wie die anderen, ihre Schuhe passten mir nicht, ihre Mäntel wollte ich nicht tragen.

Ich wurde natürlich nicht Schauspielerin, habe es nicht mal bis zur Schauspielschule geschafft, weil mir zuvor alle möglichen Psychodiagnosen und Schwierigkeiten in die Quere kamen. Doch wie ich schon vorher nicht in die ollen Schubladen passte, die die Geschwister bereits ausgebeult hatten, passte ich auch nicht in die Diagnoseschubladen und auch in kein Therapiekonzept. Immer wieder war alles irgendwie sinnlos und ohne Erfolg. Ich war ein Kind, vielleicht ein Teenager im Körper einer Erwachsenen. Immer. Manchen Menschen fiel das sogar auf. Manch ein Lehrer der mich als Jugendliche unterrichtete hatte das Bedürfnis sich um mich zu kümmern. Leider habe ich bei manchem pädophil veranlagtem Lehrer leider auch entsprechende Gefühle hervorgerufen. Ja sogar in einer Klinik warf mir eine Chefärztin vor zu kindlich zu sein. Ich müsse mich ja nicht wundern, wenn mich die Leute dann einfach anfassen, weil sie meinen mich beschützen zu müssen. Ich kann nicht fassen, dass diese selbe Ärztin im Traumabereich in den Himmel gehoben wird, weil sie zu Lebzeiten ach so tolles Wissen weitergegeben hat. Uns hat sie gesagt wir seien selbst schuld wenn man unsere Grenzen überschreitet. Im Krankenhaus landeten wir schon mal in einem Zimmer für Kinder obwohl wir dem Alter eigentlich entwachsen waren. Als wir mit 20 im Frauenhaus Zuflucht fanden wurden wir von der Erzieherin betreut, weil wir ja nicht wirklich erwachsen erschienen. Wir waren froh darum, waren mancher Überforderung entlastet und hatten so Gelegenheit Dinge lernen zu dürfen die man bei Gleichaltrigen als Fähigkeit vorausgesetzt hat.

Doch wir passten auch nicht in die herkömmlichen Therapien. Nicht stationär und nicht ambulant. Ein Satz in einem Klinikbericht, den unsere dortige Therapeutin nach vierzehn Wochen schrieb, hat angedeutet was wirklich gebraucht wurde und wird. Sie hat nicht geschrieben, dass falsch ist wie unsere ambulante Therapeutin mit uns arbeitet. Sie hat lediglich davon geschrieben, dass es eine mütterliche, warmherzige Therapeutin bräuchte, um wirklich Hilfe annehmen zu können.
Wir haben so eine Therapeutin dank der lieben Kliniktherapeutin auch ambulant gefunden. Sie war mütterlich und hat sich sehr bemüht. Im ersten Jahr haben wir uns wohl enorm verändert. Wir trafen eine Vertretungsärztin nach ca. einem Jahr Therapie wieder, die sich wunderte wie wir nur so erwachsen geworden seien. Als man ihr erzählte, dass die Therapeutin wie eine Mutter sei und man so nachreifen könne, war sie vollkommen begeistert und riet dazu, ganz unbedingt genauso weiterzumachen. Leider ging das daneben. Warum lässt sich wohl niemals so wirklich sagen. Vielleicht hat sie sich zu wenig abgegrenzt, vielleicht war sie zu sehr Mutter und zu wenig professionell. Und vielleicht war sie auch einfach nicht gut genug ausgebildet, um uns die Unterstützung geben zu können, die wir gebraucht hätten. Vielleicht war es auch einfach der falsche Zeitpunkt oder das instinktive Gespür, dass sie nicht ehrlich mit uns ist. Zumindest ging es ziemlich daneben und endete sozusagen in einer Katastrophe die uns noch immer verfolgt.

Es gab sowas wie eine Entscheidung, jetzt ganz erwachsen zu sein und mit diesen normalen Therapien klarkommen zu wollen. Und so war es dann auch. Genau zwei erwachsene Anteile von uns gingen in die Therapie. Natürlich erfolglos. Aber wenigstens waren wir so in dieser Form akzeptiert.

Dieses Mami-Ding hat einen sehr bitteren Geschmack hinterlassen. Und wir brauchten alle viel Zeit um wieder glauben zu können, dass diese liebe Kliniktherapeutin absolut richtig damit lag, dass wir eine mütterliche, warmherzige Therapeutin brauchen. Wir brauchen jemand, der uns Liebe geben kann, auch wenn uns das unendlich Angst macht.

Doch wir wissen um all die Zweifel. Die Zweifel in uns und auch die Zweifel die in anderen Menschen dazu da sind.

Wenn wir sagen, dass wir eine Therapeutin brauchen, die wie eine Ersatzmutter für uns sein kann, dann wird uns angedichtet wir wollten Kuscheltherapie machen und nicht ernsthaft an schwierige Themen heran. Es wird gehört, dass wir uns in Abhängigkeit begeben, Verantwortung für uns abgeben und uns umsorgen lassen wollen. Alle die, die so reden, haben schlicht keine Ahnung!

Unsere Therapeutin ist für uns wie eine Ersatzmutter. Sie gibt uns genau das was wir brauchen, um an den schwierigen Themen gut arbeiten zu können. Sie fördert uns in unserer Eigenständigkeit und hilft uns da wo wir es selbst noch nicht gut hinbekommen. Niemals würde sie uns zu irgendetwas zwingen oder uns Nähe geben die wir nicht wollen. Doch wenn in uns der alte Schmerz hochschießt, dann wissen wir in jeder Therapiestunde, dass sie da ist und wir die Wahl haben, den Schmerz zu dissoziieren oder uns in den Arm nehmen zu lassen, damit der Schmerz aushaltbar wird. Es geht doch nicht darum, es alleine schaffen zu müssen. Denn alleine mussten wir es immer schaffen. Da waren nie Arme die aufgefangen hätten. Es geht für uns darum zu verinnerlichen, dass es heute die Wahl gibt, damit allein zu bleiben oder nicht. Und es geht darum, ganz tief zu wissen, dass es jemanden in der Welt gibt dem wir nicht egal sind. Wenn sie uns nicht ansehen würde wie es eine liebende Mutter mit ihrem Kind tut, würden wir nicht fühlen können was die Wahrheit ist.
Hätte sie nicht immer wieder heftige Zeiten mit uns durchgestanden, ohne uns dann an andere abzugeben, wir hätten wohl nicht glauben können, dass sie uns aushält. Und um die Momente, in denen sie uns ihre Gefühle zeigt, ganz egal ob es Freude oder Traurigkeit oder Angst oder Zickigkeit ist, sind wir so unendlich dankbar. Einfach weil wir dann wissen, dass es wirklich ein Mensch ist, der uns gern hat wie wir sind.

Als wir die Therapie begonnen haben, waren wir nicht sicher, ob sie uns am Leben halten könnte. Der Wunsch, uns in den Tod zu flüchten war so verlockend.
Heute wissen wir, dass es da einen einzigen Menschen gibt, für den es sich lohnt den Kampf um unser Leben um jeden Preis zu gewinnen. Denn es ist zweierlei ob eine Therapeutin sagt, dass sie nicht will, dass man sich umbringt, oder man in ihrem Gesicht sehen kann, dass ihre Nächte wenig erholsam sind, wenn man selbst gerade gegen Suizidprogramme und innere Gewalt kämpft. Wir wissen, dass sie auch an Ostern wenig Erholung im Schlaf finden wird, weil in uns die Suizidprogramme angetriggert werden könnten. Doch wir wissen auch, dass es dazugehört, wenn man für einen Menschen Liebe empfindet. Wenn sie krank ist, sind wir auch in Sorge um sie, bis wir Gewissheit haben, dass alles gut wird und sie gut versorgt ist. Wir fühlen und erleben in uns heute das, was uns als Kind versagt wurde.

Wir wissen ganz sicher, dass dieser Weg uns in ein Leben bringen wird, in dem wir frei sind.

Und dennoch gibt es die vielen Zweifler die uns immer wieder kurzzeitig verunsichern.

Alltags-Wahnsinn

ich weiß genau was mit dir los ist………


Ich hätte genauso gut eine andere Überschrift wählen können. Etwas wie „Grenzüberschreitungen“ oder „Hobbypsychologen“ oder vielleicht „Besserwisser“. Aber ich will hier niemanden beleidigen oder verletzen. Darum geht es nicht. Es geht um Erklärungen, darum verständlich zu machen, was manche Menschen damit anrichten, wenn sie zwar in bester Absicht, jedoch ohne die notwendige Fachkenntnis agieren.

Es gibt ein Phänomen, das viele, die ein Studium in Medizin oder Psychologie absolviert haben oder auch eine Ausbildung im medizinischen Bereich gemacht haben, sehr gut kennen. Man befasst sich mit einer bestimmten Erkrankung, einer Störung und plötzlich hat man den Eindruck, sämtliche Symptome an sich oder Freunden zu erkennen. Ich erinnere mich gut, wie plötzlich beim Thema Mittelohrentzündung viele meinten Ohrenschmerzen zu haben. Es ist so, jeder weiß das, jeder kennt das. Diese „Krankheiten“ verschwinden so schnell wie sie kamen, spätestens wenn eine andere Erkrankung thematisiert wird.

Im psychischen Bereich wird die Sache allerdings deutlich komplizierter. Während man einem Freund, dem man eine Mittelohrentzündung andichtet, zu einem Termin beim Arzt rät, kommt selten der Rat an einen vermeintlich psychisch beeinträchtigten Menschen, einen Therapeuten zu kontaktieren.

Da fühlt sich manch einer doch glatt befähigt, selbst die viel zutreffenderen Diagnosen stellen zu können. Ja und nicht nur das, man selbst ist doch ohnehin auch der bessere Therapeut. Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass diese Menschen nicht genauso Respekt verdient haben und Achtung, wie jeder andere Mensch auch. Ich will auch nicht Urteil über diese Menschen fällen. Manche ordnen sie in Schubladen ein, die heißen „Helfersyndrom“ oder „innerlich leer“ oder ähnlich. Für mich sind diese Menschen in erster Linie eine Gefahr für diejenigen, die wirklich ernsthafte psychische Probleme haben.

Man kennt dieses Verhalten in abgewandelter Form aus Sucht-Familien. Dort gibt es so etwas wie Co-Abhängigkeit. Der Partner trägt die Sucht des anderen mit. Er trägt sie mit bedeutet so viel wie, er trägt dazu bei, dass sie fortbestehen kann.

Wenn jemand tiefgreifende seelische Probleme hat, verhält es sich oft ganz ähnlich. Solange es jemanden gibt, der da ist und sich kümmert und Verantwortung übernimmt, muss der Betroffene nichts verändern.

Als ich einmal vor Jahren im Krankenhaus lag, traf ich auf eine Mitpatientin, eine ältere Dame um die 80. Ich wunderte mich, warum ihr Mann ihr die verschiedentlichen Prospekte der Supermärkte mitbrachte und sie dort alles anstrich was gekauft werden sollte. Ich sprach sie darauf an, zumal es doch sehr klar war, dass sie am darauffolgenden Tag gesund entlassen würde und den Einkauf gut selbst erledigen könne. Nein, das könne sie nicht erwiderte sie, da sie schon seit ihrer Jugendzeit ein beklemmendes Gefühl bekäme, wenn sie ein Geschäft beträte. Ihr Mann mache das für sie. Sie schaut nur in Prospekte und Kataloge.

Ihr Mann hat durch seine Hilfe dafür gesorgt, dass sie in ihrer Angst bleiben konnte. Sie musste nichts verändern, sie hatte ja ihn. Dabei hätte ihr eine Auseinandersetzung mit ihren Ängsten vermutlich sehr viel Lebensfreude gegeben.

Er wusste sicherlich nichts von Angststörungen. Er wollte ihr nur eine Last abnehmen.

Im Alltag begegnen mir immer wieder Momente in denen ich Entsetzen in mir spüre. Entsetzen darüber, wie schnell Menschen mit Worten um sich schmeißen, deren wirkliche Bedeutung an scheinbarem Wert verliert. Da wird eine Traurigkeit über etwas gleich zur Depression. Aus einem überdrehten Verhalten wird etwas Manisches. Aus Selbstverletzung Borderline und aus sprunghaftem Verhalten im Zweifelsfall eine dissoziative Identitätsstörung.

Und im Gegenzug werden die, die ernsthafte Psychosen haben, unter Wahnvorstellungen leiden, schwer depressiv sind schlichtweg als eigen abgetan.

Und dann gibt es den ganzen komplexen Bereich der Traumafolgestörungen. Ein derart komplexes Thema, dass selbst gut ausgebildete Psychotherapeuten und Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin immer wieder Fehldiagnosen stellen. Und viele Betroffene brauchen sehr viele schwierige Jahre, bis sie endlich an jemanden geraten, der wirklich begreift was los ist. Was sicherlich auch daran liegt, dass nicht jeder der sich qualifiziert nennt, es auch wirklich ist. Aber es liegt auch daran, dass es von A-Z ganz viele Überschneidungen und Ähnlichkeiten gibt. Vieles an Symptomatik ist bis zu einem gewissen Grad völlig normal, auch als Einzelverhalten ist es oft in keinster Weise beeinträchtigend. Es ist einfach auch für Fachleute schwierig, Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten in ihrer Komplexität zu begreifen. Und oftmals wird dann zu einer Diagnose gegriffen, die am wahrscheinlichsten scheint und vielleicht auch diesem Helfer am bekanntesten ist.

Und dann trifft es auf diese Menschen, die Mitleid fühlen oder auch genau im Gegenteil, nicht begreifen wollen, dass der Betroffene nicht nur kurzzeitig „unpässlich“ ist. Und man hat ja dieses und jenes gelesen und deshalb weiß man ja, was das bedeutet. Und sie gehen oft noch einen Schritt weiter. Die Therapeuten haben ja eh keine Ahnung, aber ich, ich weiß genau was mit dir ist………………………… und ich weiß auch was du brauchst ………………… und welch Glück, ich will dir auch genau das geben.

Sie wissen es nicht besser. Sie machen das nicht in böser Absicht. Sie sind einfach nur Menschen. Menschen, ganz normale Menschen, die leben, fühlen, sich Wissen aneignen.

Und doch richten sie Schaden an. Ganz unbeabsichtigt. Und dennoch geschieht es.

Denn sie überschreiten Grenzen. Kompetenzgrenzen, weil sie keine professionellen Helfer sind. Aber auch Grenzen bei den Betroffenen. Denn sie drücken ihnen einen Stempel auf. Und wenn dann der Betroffene nach jedem Strohhalm greift, weil er ja so dringend Hilfe braucht, dann lassen sie ihm zukommen was im Zweifelsfall, jedes aufkeimende Gefühl von Selbstachtung erstickt. Sie geben ihm das, von dem sie glauben, dass es gebraucht wird. Sie fragen ihn nicht, was er wirklich braucht. Sie gehen nicht auf ihn ein. Sie bedrängen ihn, zwingen ihn in die scheinbare Hilfe. Sie lassen keinen Raum, herauszufinden was man wirklich fühlt, was man wirklich will, was man selbst braucht, was einem gut tut. Denn sie wissen es ja am besten.

Leider gibt es viel zu viele selbsternannte Helfer, die immer wieder Menschen finden, die so flehentlich nach Hilfe suchen.

Doch diese „Helfer“ helfen nur in einer Sache wirklich. Sie helfen dabei zu lernen, sich abzugrenzen. Nein zu sagen, immer wieder und immer wieder so klar und deutlich, wie man es als Betroffene doch nie gelernt hat und als so verboten empfindet. Und wenn man das dennoch kann, dann ist es ein Glück, auf einen solchen „Helfer“ gestoßen zu sein. Denn dann kann man daran wachsen.

Wer es allerdings noch nicht schafft, wird schnell erneut zum Opfer.

Ich würde mir wünschen, dass Menschen, die in den Blogs und auf anderen Websites von Betroffenen lesen, eines verstehen. Menschen die durch emotionale, physische und/oder psychische Gewalt traumatisiert wurden, gehören in erster Linie in eine gute therapeutische Behandlung. Die Seele dieser Menschen wurde schon viel zu sehr verletzt. Die Gefahr sie durch Unkenntnis noch mehr zu verletzen ist viel zu groß.

Ich kann da wirklich nur jeden bitten, gerade bei Betroffenen von Gewalterfahrungen behutsam zu sein.

Helfen sollte in diesem Fall in erster Linie bedeuten, Helfer zu sein auf dem Weg zu einer fachlich kompetenten und menschlich gut passenden Unterstützung.

über uns · Therapieerfahrungen

DIS ist keine Krankheit


Immer wieder stolpern wir darüber. Fallen hin. Rappeln uns wieder hoch. Versuchen, trotz Irritation, weiterzugehen. Bis zum nächsten Mal.

Immer dann wenn im Zusammenhang mit DIS oder posttraumatischer Belastungsstörung oder Borderlinestörung oder ähnlichen Diagnosen von Krankheit gesprochen wird. Wenn Menschen die unter Traumafolgestörungen leiden diese als Krankheit bezeichnen.

Was ist denn Krankheit? Was bedeutet das denn? Wie wird das denn definiert?
Im Gesundheits-Brockhaus wird Krankheit ganz offiziell folgendermaßen definiert:

Krankheit ist definiert als Störung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Bei der Abgrenzung der Krankheit von Gesundheit ist eine bestimmte, aus einer Vielzahl von Beobachtungen mithilfe statistischer Methoden gewonnene Schwankungsbreite zu berücksichtigen, innerhalb derer der Betroffene noch als gesund angesehen wird. Bei der Beschreibung einer Krankheit muss zwischen ihren Ursachen (Krankheitsursache) und ihren sichtbaren Anzeichen (Symptomen) unterschieden werden. Außerdem können sich unterschiedliche Verläufe zeigen: Eine akute Krankheit setzt plötzlich und heftig ein. Eine chronische Krankheit (Malum) beginnt langsam und verläuft schleichend. Manche Krankheiten verlaufen in Schüben, d.h., es wechseln sich Phasen der Besserung mit Phasen der Verschlechterung (Exazerbationen) ab, oder sie treten nach scheinbarer Ausheilung erneut auf (Rezidiv). Die Feststellung einer Krankheit (Diagnose) beruht auf der Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) sowie der Untersuchung des Betroffenen mit Auswertung der geschilderten und festgestellten Symptome. Die erhobene Diagnose dient der Festlegung einer evtl. notwendigen Behandlung, der Voraussage über den Verlauf der Krankheit (Prognose) und Maßnahmen der Krankheitsverhütung (Prävention).
(Quelle: Der Gesundheits-Brockhaus, F.A. Brockhaus GmbH, Leipzig – Mannheim)

Nun ist aber nicht jede Störung, insbesondere im psychischen Bereich auch eine Krankheit. Denn wenn etwas gestört ist, heißt das doch eigentlich, dass etwas nicht gut funktioniert. Wenn die Telefonleitung gestört ist, würde auch niemand sagen, dass sie krank ist. Sie ist gestört und funktioniert deshalb nicht so wie man erwarten würde. Und in etwa so ist das nach meiner Ansicht auch mit DIS.

Die Seele hat Anteile aus dem Bewusstsein abgespalten, um die Grundfunktion aufrecht erhalten zu können. In der Folge hat das Bewusstsein hierauf keinen Zugriff mehr. Die Verbindung zwischen Bewusstsein und abgespaltenen Anteilen oder auch abgespaltetem Wissen ist gestört. Dennoch ermöglichen bestimmte Anteile, die auch als Alltagspersönlichkeiten bezeichnet werden, eine Grundfunktionalität im Alltag.

Nun ist man ja so nicht auf die Welt gekommen. Da hat es Menschen und Ereignisse gegeben, die dazu geführt haben, dass diese Verbindungen „vorübergehend“ gekappt werden mussten, damit es möglich war, dennoch weiterzuleben.

Alleine der Umstand, dass die Seele diesen Weg gewählt hat, besagt dass sie völlig gesund ist. Aber sowas von gesund. Eine kranke Seele hätte niemals einen guten Weg finden können, trotz lebensgefährlichen Umständen, sich so zu retten, dass der Kern erhalten bleiben kann.

Irgendwie habe ich in den zwanzig Jahren, in denen ich mit unterschiedlichsten Therapeuten und Institutionen zu tun hatte, nie in Betracht gezogen, dass ich krank sein könnte. Ich bekam nur immer wieder große Augen und war verwundert, wenn andere Menschen mit Traumafolgen sich als kranker Mensch sehen.

Für mich ist Krankheit etwas anderes. Krank bin ich, wenn ich eine Grippe habe oder einen Infekt. Ich bin auch krank, wenn ich mich einfach schlapp und unwohl fühle, so dass ich mich hinlegen muss. Aber die DIS lässt mich nicht krank sein. Es gibt manche Folgen, die sich zu „Krankheiten“ entwickeln können. Eine Anorexie beispielsweise, die oft auch eine Traumafolgestörung ist, hat eine körperliche Erkrankung zufolge. Insbesondere dann, wenn sie dazu führt, dass der betreffende Mensch so stark untergewichtig wird, dass die lebenswichtigen Organe nicht mehr ausreichend versorgt werden können. Aber die Anorexie an sich ist nicht das, was krank ist, sondern die Folgen daraus machen krank. Mag sich jetzt seltsam anhören, vielleicht etwas abgehoben. Aber so denke ich. Kompliziert, hinterfragend, springend und nicht für jeden nachvollziehbar.

In den Anfangsjahren der Auseinandersetzung mit meinen seelischen Problemen, gab es an die Therapeuten immer wieder nur die Frage danach, ob ich verrückt sei. Ich hatte Sorge, dass wenn ich verrückt sei, meine Mutter Recht damit hätte, dass sie immer behauptet hat, ich sei krank im Kopf. Und jeder hat mir geduldig immer wieder erklärt, dass ich nicht verrückt sei. Einer, den ich nicht wirklich mochte, hat es mir mit einer Skala erklärt, auf der ganz rechts Normal liegt und ganz links Verrückt. Er meinte, ich sei doch recht dicht am Normal. Irgendwann habe ich das gefressen und mir weniger einen Kopf darüber gemacht.

Aus Sicht meiner Familie war ich krank im Kopf aus ganz anderen Gründen. Ich war nicht wie sie. Ich war und bin anders. Ich wollte alles verstehen und habe nach Dingen gefragt auf die sie keine Antwort geben konnten. Ich habe mir mit fünf Jahren die Lexikothek der Eltern genommen und die Bände gelesen, die mir die Antworten auf all das lieferten, was mir diese Menschen nicht beantworten konnten. Die Lexika waren viele Jahre meine Lieblingsbücher. Ich habe dort Wissen bekommen, was dem Rest der Familie fehlte. Und damit war ich ein Sonderling. Und aufgrund der Gewalt die meine Familie, insbesondere meine Mutter mir angetan hat, entwickelte ich Verhaltensweisen, die sonderbar erschienen. So schlug ich mit dem Kopf gegen die Wand und biss mir die Arme wund, um nur keine Wut zu zeigen, um nicht zu riskieren, erneut der gewalttätigen Mutter ausgeliefert zu sein. Ich verweigerte Nahrung, weil ich kein Ventil für Trauer hatte und der einzige Gefährte, der mich getröstet, gewärmt und beschützt hat, starb als ich fünf war. Es war die Hündin der Familie.

Die haben mir den Stempel auf die Stirn gedrückt, dass ich verrückt sei. Die Familie, und die Menschen, die mich wie eine Aussätzige behandelt haben.
Dabei gab es so verdammt gute Gründe, warum ich mich verhielt wie ich es getan habe. In mir drin war ich überzeugt, dass mit mir was nicht okay ist, ich bin falsch.

Ganz klar ist die Erinnerung an den Moment, in dem ich mit 12 Jahren in einer Illustrierten einen Artikel gelesen habe. Es ging um stille Kinder, um Kinder, die nur sehr wenig sprechen, extrem schüchtern und verängstigt sind. Dort stand, dass solche Kinder oftmals Opfer von Gewalt in der Familie sind und dringend Hilfe benötigen. Ich kann erinnern, wie mir innerlich heiß wurde und ich Angst bekam. Hatte ich zu viel verraten, wo ich doch geschwiege habe um kein Geheimnis zu sagen?  Von diesem Tag an habe ich geschaut, wie andere sich verhalten, was normal ist. Ich habe es abgeguckt, übernommen, bin in die Rolle eines normalen Teenagers geschlüpft. Niemand hat etwas gemerkt, lange Zeit nicht. Aber in mir drin, hielt ich mich für „Krank im Kopf“, „durchgeknallt“, „verrückt“.

Erst als ich viel später durch die Therapie und das Lesen über Folgen von Traumatisierung in der Kindheit anfangen konnte zu verstehen, warum ich mich so verhalten habe. Erst als ich verstanden habe, dass ich immer nur versucht habe, einen Weg des Überleben-Könnens zu finden. Erst da konnte ich glauben, dass ich normal bin. Ich habe nur versucht zu überleben. In meiner Kindheit habe ich viele Dinge nicht lernen können, die ein Kind lernen können sollte. Ich war Menschen und Ereignissen ausgeliefert, die mir keine Möglichkeiten gaben, gesunden Umgang mit mir zu lernen. An vielem  was für Menschen, die umsorgt aufwachsen durften, selbstverständlich ist, mangelt es mir noch heute. Das unterscheidet mich. Mein Denken mag sich auch von anderen unterscheiden, weil andere nicht mein Leben leben, es zum Glück auch nie leben mussten. Wenn ich mich aus Angst zurückziehe, dann auch deshalb, weil ich nicht lernen durfte, dass Gefühle normal sind und wie man sie fließen lassen kann.

Ich brauche keine Medikamente, die meine Angst weniger sein lassen oder den Schmerz betäuben und mich einfach schlafen lassen.
Was ich immer brauchte, waren Menschen die mir zeigen wie Liebe geht und Trost. Menschen die mich die Welt verstehen lassen und mir helfen, mich und mein Leben verstehen zu können. Und ich brauchen Menschen, die mir beibringen können wie es möglich ist, Schmerz und Wut und Angst weniger werden zu lassen.

DIS ist keine Krankheit.
Es ist nur der Versuch einer Seele, die in Todesangst ausgeliefert ist, sich zu retten.

Alltags-Wahnsinn · Therapieerfahrungen

wenn sich Vergangenheit und Gegenwart untrennbar vermischt zerrinnt die Zeit


Erst jetzt habe ich realisiert, wie lange hier nichts im Blog geschrieben wurde. Als der Absturz anfing, gab es noch den Gedanken daran, dass es vielleicht ein paar Tage, vielleicht auch zwei drei Wochen schwierig sein würde und man sich nicht mehr gut um alltägliches würde kümmern können. Unser Blog war da eigentlich doch eher noch ein Ventil, was doch wichtig wäre zu nutzen. Aber dann ging irgendwie so gar nichts mehr.

Und jetzt geht eigentlich auch noch längst nicht wieder wirklich was. Wir liegen noch immer von einer Lawine begraben irgendwo unter Geröll. Nur inzwischen gibt es sowas wie ein Luftloch, was wenigstens atmen möglich macht. Wir schaufeln uns mühsam frei. Doch immer mal wieder rutscht wieder etwas nach und wir verlieren für einen Moment die Hoffnung.

An manchen Tagen bricht die innere Kommunikation vollständig zusammen. Dann wieder switchen wir sozusagen im Minutentakt und bei der Frage danach, wer denn gerade vorne sei, rattert der Kopf auf der Suche nach der Antwort darauf, wer denn nun sprechen wird, wenn da Worte aus dem Mund kommen.

Dieser Absturz hatte einen langen Vorlauf, eine lange Zeit in der er sich ankündigte. Es gab große Verunsicherung darüber ob und wie die Therapie weitergehen würde. Wir wussten nicht, ob uns die Kostenübernahme weiterhin zugesagt würde und in welchem Umfang das sein würde. Wir wussten nichts. Alles was klar war, war die immer wieder gleichlautende Zusage unserer Therapeutin, dass wir einen Weg finden werden, dass es weitergeht. Wir haben das auch geschafft und es gibt eine Zusage. Es gibt Veränderungen die uns verunsichern. In unserem Kopf gibt es Lösungen, wie sich alles wieder verbessern könnte. Doch wir scheitern immer wieder daran, dass unsere Therapeutin scheinbar darin verbissen ist, dass alles nur so sein kann wie sie es versteht.
Und irgendwann ist es zu einem Kampf geworden.

Es hat sich alles vermischt. Wir haben gekämpft um sie, um ihre Liebe, um ihre Aufmerksamkeit, darum gesehen und angenommen zu werden. Und mit jedem winzigen Hinweis, der bedeuten könnte, dass sie uns nicht wollen könnte, fielen wir mehr und mehr zurück in den alten Kampf den wir schon früher und immer wieder geführt haben. Grenzen die sie gesetzt hat wurden zu persönlichen Zurückweisungen. Die Sicherheit, dass sie uns nicht rausgehen lassen würde, wenn wir nicht sortiert genug sind, um vor der Tür gut zurechtzukommen, zerfloss mit der zeitlichen Begrenzung des Kostenträgers. In unserem Bauch wurde daraus die Gewissheit, dass die Therapeutin uns nicht will. Wir sind ihr egal, nicht wichtig, nur lästig, stehlen ihr nur die Zeit.
Und dann ist alles gekippt. Plötzlich wurde aus dem Kampf um sie ein Kampf gegen sie. Wenn sie uns nicht will, dann soll sie uns wenigstens richtig ablehnen. Wir schlugen voll ins Gegenteil. Plötzlich wurde an allen Fronten darum gekämpft, dass sie wütend wird, damit wir Angst bekommen und dann alles eskalieren kann. Das ist ein so gut antrainiertes Verhalten, es hat immer so perfekt funktioniert. Und diesmal hätte es auch fast geklappt.
Es hätte fast………… aber es hat nicht. Wir sind noch immer da. Und sie ist auch noch immer da. Und wir kämpfen noch immer, im Wechsel um und gegen sie. Und eigentlich alles gleichzeitig. Wir haben teilweise Angst davor, abgeschoben und aufgegeben zu werden. Gleichzeitig fühlt sich dieses therapeutische Verhältnis so schlimm und unaushaltbar an.

Viele von uns hatten geglaubt, dass unsere Therapeutin uns ganz wirklich als Mensch mag. Und plötzlich wird ganz deutlich, dass sie nur ihren Job macht. Es wird so klar, dass da alles nur in unserem Kopf zu geschehen scheint. Wir haben uns so sehr gewünscht, angenommen zu werden von einem Menschen. Und jetzt erscheint es doch so, als hätten die Skeptiker recht, die immer wieder betont haben, dass sie nur ihr Geld mit uns verdient. Sie mag uns als Fall, als Klientin, als jemand der für ihre Arbeit interessant ist. Als Mensch in ihrem wirklichen Leben außerhalb der Praxis sind wir lästig und unerwünscht.
Es tut entsetzlich weh, wenn diese Gedanken zur scheinbaren Gewissheit werden. Doch es ist nur eine scheinbare Gewissheit, denn wir wissen einfach so gar nicht mehr, was jetzt wirklich ist und was nicht.

Gestern war einer dieser blöden Tage im Jahr. Es war unser Geburtstag. Er ist schlimm, in jedem Jahr und für jeden auf andere Weise. Wir pendeln in jedem Jahr aufs Neue zwischen aushalten, ertragen und flüchten. Diesmal haben wir uns für die Flucht entschieden. Wir hauen einfach ab an einen Ort, an dem wir gerne sind. Wir sind nicht zuhause, nicht für jeden erreichbar und können einen angenehmen Tag verbringen. Soweit die Theorie.
Blöd nur, dass es da auch die andere Seite gibt. Es gibt die Traurigkeit und den tiefen Schmerz darüber, dass wir diesen Tag niemals wirklich mit Menschen verbringen konnten, die dagewesen wären, weil sie gerne mit uns zusammen sind und weil wir uns irgendwie gut tun. Es hat diese Menschen einfach nie gegeben. Und das tut unendlich weh.
Dann gab es diese Hoffnung, dass nur wenigstens ein winzig kleiner Gruß von unserer Therapeutin käme. Nur ein kleines Zeichen, dass sie uns wirklich gern hat. Als wir am Abend nach Hause zurückkamen, und das Telefon blinkte, wurde diese Hoffnung so ganz groß. Und das Chaos und die Enttäuschung umso größer, als man feststellte, dass die Eltern noch immer keine Ruhe geben und der Mensch, der so wichtig ist, sich gar nicht gemeldet hat. Da hat es nichts genutzt, immer wieder klarzumachen, dass sie sich nicht melden wird. Diese Hoffnung, der Wunsch, die Sehnsucht danach ist so unrealistisch, wie es auch schon immer unrealistisch war, irgendwann einen Menschen zu finden, der die Mutter ersetzen würde und an dem wir nachwachsen könnten. Den Bauch interessiert das Geschwätz vom Kopf nicht.

Und dann gibt es da noch so eine Sache, die hier nicht so richtig verstanden wird. Warum nur gratulieren einem über Netzwerke Leute die sonst nie mit einem kommunizieren zum Geburtstag? Warum machen die das? Ist das so normal? Ist das so eine Verhaltensregel im sozialen Miteinander, die wir nicht verstanden haben? Sind wir blöd und unfreundlich, weil wir das nicht machen? Und sind wir deshalb eh selbst schuld, dass man uns nicht mögen kann? Und warum nur muss man sich immer wieder für etwas bedanken was man nicht mag oder um das man nicht gebeten hat und was man vielleicht nicht mal haben möchte? Aber wenn man das nicht macht, dann ist man ja unfreundlich und undankbar. Dann sind wir nicht liebenswert.

Und noch immer scheint sich so vieles zu vermischen und die Zeit vergeht, ohne dass wir sie greifen könnten.

Alltags-Wahnsinn · Fetzen

Pseudo-Wahrheiten und wirre Welt


Hineingeboren in eine Welt, in die ich vielleicht gar nicht wollte. Ja, so fühlt es sich an manchen Tagen an. Als wäre ich irgendwie nicht dort angekommen, wohin die Reise gehen sollte. Als wäre ich in einer Welt gelandet, auf die mich niemand vorbereitet hat. Blöd nur, dass die Menschen, bei denen ich dann ankam auch nicht gerade voller Freude darüber waren, dass ich Zeit und Platz und Raum brauchte. Mehr als Raum, Kleidung, Nahrung und meist Luft zum Atmen (manchmal nicht mal die) hatte ich nicht zu beanspruchen. Brauchte ich etwas, kam der, der gerade Lust hatte, vermutlich ging es dabei nicht einmal um Zeit. Liebe………………?

Okay, das war ein kleiner Ausschnitt der Wahrheit, die gerade beginnt in mein Bewusstsein zu drängen. Ich möchte Euch ein wenig von anderen Wahrheiten, Pseudo-Wahrheiten, erzählen und der immer wieder wirren Welt.

Eine Familie ist dabei ein Haus zu bauen, sie haben schon vier Kinder und da bietet es sich doch sehr an, Eigentum zu haben. Denn auch Anfang der 70er war es bei Vermietern nicht gern gesehen, wenn Familien mit vier Kindern einziehen wollten. Den Kindern wird es gut tun, wenn sie nicht so alleine sein müssen, also werden nur zwei Kinderzimmer gebaut, für jeweils zwei der Kinder. Während dem Bau muss gut dafür gesorgt werden, dass sich um die Kinder ausreichend gekümmert wird, also werden sie gut in der Verwandtschaft untergebracht. Sie waren ja so fürsorgliche Eltern. Ein Jahr etwa sollte der Bau andauern, ein Jahr in dem die Kinder an einem anderen Ort mit anderen Menschen lebten. In der Zeit kündigte ich mich an (ja, ich war das einzige Kind, was den Bau tatkräftig unterstützte 😉 ). Pünktlich zu der Zeit als ich auf die Welt kam, war das Haus fertig – für Eltern mit vier Kindern. Aber wo vier satt werden und Platz finden schafft das auch noch eins. Mich haben sie nicht weggegeben. Ich durfte gleich mit einziehen und die Geschwister kamen nach und nach dazu. Ich hatte ein Bett zum Schlafen, ich hatte meine Nuckelflasche und meinen Daumen, warme Kleidung, und ich hatte so viele Menschen um mich. Ich musste nie alleine sein. Später als ich älter war und schon gut laufen konnte, nahm der Vater mich am Sonntagmorgen immer auf einen Spaziergang in den Wald mit. Was für ein toller Papa, der sich so viel Zeit für sein Kind nimmt. Später hieß es immer „Du hättest gar keinen besseren Papa haben können“. An Weihnachten hat er sich mit uns auf den Boden gesetzt, um die neuen Spiele auszuprobieren. Wenn ich unruhig war hat er solange meinen Rücken gestreichelt bis ich müde wurde und einschlief. Im Winter, wenn wir Schnee hatten, hat er mir im Garten eine eigene Rodelbahn gebaut, die er an jedem Abend mit Wasser begossen hat, damit der Frost in der Nacht sie schön glatt machen würde. Ich hatte einen tollen Papa, einen den man sich wünscht. Alle sagen das, alle glauben das. Erst vor vielleicht zwei Jahren sagte meine Schwester noch, dass es uns doch an nichts gefehlt hat. Wir hatten doch alles, und wir durften so viel. Ein einziges Mal habe ich von meinem Vater eine Ohrfeige bekommen, als ich ihn als 14-jährige bockig angegangen bin, weil er mir keine Zigarette geben wollte. Mein Vater hat mir nie was getan. Es ist eine Wahrheit.

Ich war ein ausgesprochen redseliges Kind, alles was ich aufgeschnappt habe, habe ich nachgeplappert. Mit fünf Jahren habe ich schon Bücher gelesen, am liebsten Tier-Lexika oder Medizin-Lexika. Ich konnte Lesen und Rechnen, ich war gut erzogen und vorzeigbar. Nur wenn ich nicht mehr Zuhause war und keine Schwester, kein Bruder bei mir, dann schwieg ich beharrlich. Kein Wort kam über meine Lippen, kein einziger Laut. Kein Husten, kein Niesen, kein lautes Gähnen, nicht ein einziger Ton. Stundenlang konnte meine zuhause so geliebte Ulli mich in ihrem Auto durch die Gegend fahren. Ich habe nie geweint und geschrien, aber ich habe auch nicht gesprochen. Auf ihr immer mal wieder nachfragen, ob ich noch da sei, entlockte sie ein leises „Hmm“. Da mein Verhalten zuhause „normal“ war, wurde es abgetan als Schüchternheit. Bemerkungen in Zeugnissen blieben unbeachtet. Mutismus kam niemandem in den Sinn. Es würde sich schon ändern, wenn sie erst in die Schule geht, wenn sie erst älter wird, wenn……………

Ich biss mir die Arme wund und schlug mit dem Kopf an die Wand, kroch fremden Menschen auf den Schoss und drückte so doll beim Umarmen zu, dass es den Anschein erweckte, ich würde nie mehr los lassen wollen. „Ach die Kleine ist aber niedlich, und so anhänglich“. Niemand hat den Schrei gehört, der im Innern tobte, niemand hat gehört, wie ich gerufen habe „Nimm mich mit, lass mich nicht hier“. Die Eltern haben ja eine so liebe und niedliche Tochter.

Eine Sandkastenfreundin kam immer mal zu uns, weil sie es so toll fand mit so vielen Geschwistern. Sie kam in diese Pseudo-Wahrheit hinein und für sie war sie wahr. Die Nachbarn, die Verwandten und Bekannten. Sie alle haben sie erlebt, diese Pseudowahrheiten. Sie alle haben später diese, ihre Wahrheit, erzählt und ein Bild in mir geschaffen von meiner Kindheit.

Unzählige Therapien, in denen behauptet wurde mein Vater hätte mir etwas getan und meine Mutter mich nicht beschützt. Vielleicht hat sie es auch nicht gewusst. Meine Erinnerung spielte Streiche, baute Szenen zusammen, die zwar stattgefunden haben, jedoch nicht in der Rollenverteilung, wie sie dort zutage kamen. Wenn ich sagte, dass mein Vater mich missbraucht hat, fühlte es sich nicht wahr an. Denn es war einfach nicht die Wahrheit die ich kannte. Ich hatte keine Erinnerungen daran, nur die Pseudo-Wahrheiten der anderen. Ich habe meinen Vater geliebt und meine Mutter gehasst. Und Therapeuten kamen und sagten, dass mein Vater böse ist und meine Mutter mich liebt. Ich bemühte mich zu glauben. Als sie sagten, dass ich den Kontakt abbrechen sollte, tat ich auch das, schaffte es aber nie länger als ein paar Monate. Und jeder Hinweis darauf, dass mein Vater wirklich ein Täter sein könnte, wurde abgespalten, verdrängt. Jeder Hinweis darauf, dass meine Mutter mich nicht lieben könnte wurde von Therapeuten weggewischt. Also stelle ich mich nur an, denke mir aus, bin nur ein Fake. Doch Traumafolgen kommen nicht durch Nichts. Aber meine Eltern haben mir nichts getan!

Kurz vor Weihnachten im vergangen Jahr habe ich eine Mail an den Bruder geschrieben und darin mitgeteilt, dass ich keinen Kontakt mehr will. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das entschieden. Zum ersten Mal wusste ich, dass ich nicht mehr ertrage wie sie mit mir umgehen. Und ich hatte allen Mut in diesem Moment und habe es gewagt. Und ich wusste, dass jeder der mich kennt und nicht zu dieser Familie und deren Verwandtschaft gehört, mir dazu gratulieren würde. Und ich habe nach vielen Jahren Abstinenz doch wieder sowas wie einen guten Vorsatz fürs Jahr gefasst. Keinen Kontakt zu der Familie. Ich fühlte mich so mutig und stark. Aber ich war auch voller Angst und Sorge darüber, wie sie reagieren würden. Es kam keine Reaktion, gar keine. Bis am Sonntag vor einer Woche. Da klingelte das Telefon und auf dem Display war zu sehen, dass es ein Anruf von ihrer Nummer ist. Nein, wir haben den Anruf nicht entgegengenommen, wir haben standgehalten. Wir sind auch nicht der Versuchung erlegen, zurückzurufen, was gar nicht leicht war und ist.

Es sind andere Dinge geschehen. Pseudo-Wahrheiten fingen an Gegengewicht zu bekommen. Es drängen Wahrheiten ins Bewusstsein, die so ganz anders sind, als all die Fassade, die so lange sicher war. Da werden die Waldspaziergänge mit dem Vater zu einem Geheimnis. Die liebevolle Familie zum Ort von Gewalt und Vernachlässigung. Die Not in meinem Inneren bekommt Stimmen, Gesichter, Bilder, Gefühle, Gerüche. Und einen unsagbar tiefen Schmerz.

Und dann sagt die Frau in der Beratungsstelle was davon, dass solange der Kontakt zur Familie nicht aufgehört hat, auch keine Sicherheit sein kann. Und es platzt heraus wie eine Fontäne „Die sind keine Gefahr für uns. Die waren nie eine Gefahr.“ Und der Kampf mit den Pseudo-Wahrheiten beginnt von vorn.

Alltags-Wahnsinn · Therapieerfahrungen

Wenn die Therapeutin den Blog liest…………………


Immer wieder taucht dieses Thema in unterschiedlichen Blogs auf die wir lesen. Jeder hat seine eigenen Überlegungen, Für und Wider dazu. Und natürlich hat jeder auch seine ganz eigenen verständlichen Gründe, nach denen darüber entschieden wird, ob TherapeutIn mitlesen darf oder nicht.

Für uns persönlich stellte sich eigentlich die Frage gar nicht so direkt. Die Situation war einfach so, dass sie gelesen hat und nicht gleich wusste, dass es unser Blog ist, den sie liest. Nun hätten wir entscheiden können, dass sie ihn nicht lesen soll. Sicherlich hätte sie das auch nicht getan, wenn wir es ganz absolut nicht gewollt hätten. Und anfangs hat es wirklich beim Schreiben Momente gegeben, in denen überlegt wurde, ob das wirklich gut ist, wenn die Thera das liest. Und dann auch wenn wir in anderen Blogs kommentiert haben, tauchten immer mal wieder Überlegungen auf, wie das ist, wenn sie das liest. Was hat sie dann nur für ein Bild und wollen wir das überhaupt?

Und eigentlich ist es doch genau diese Frage.

Welches Bild hat die Thera dann von uns und wollen wir das auch?

Und das ist doch irgendwie immer die Überlegung. Wie ist das denn, wenn man dem Therapeuten irgendwo begegnet. Im Schwimmbad, beim Einkaufsbummel in der Stadt, im Kino, extremst wäre wohl in der Sauna. Wie gehe ich damit denn um? Will ich das dann überhaupt, dass der mich so sieht? So außerhalb der Therapie, ganz privat, ganz unvorbereitet? Was denkt der denn dann von mir? Und die viel wichtigere Frage wie ich finde. Will ich den denn überhaupt so Privat sehen???? Und dabei vergisst man ganz, dass auch der Therapeut ein Mensch ist, dem es vielleicht unangenehm sein könnte. Viel zu sehr wird ihm doch zugeschrieben, dass er doch ganz souverän mit solchen Situationen umgehen können muss. So wie die wenigsten Menschen darüber nachdenken, wie es dem Star geht, der keinen Funken Privatleben mehr hat, weil überall Paparazzi lauern oder Fans ihn trotz guter Tarnung entdecken. Der Therapeut ist doch Profi, der muss damit doch umgehen können. Kann er sicherlich auch, zumindest viele können das. Trotzdem muss es ihm nicht weniger unangenehm sein als dem Klienten. Wenn ich das schreibe, sehe ich den Blick eines „Profis“, der mir einmal von einer Begegnung mit einem Klienten in der Sauna berichtete. Und durchaus war die Begegnung für beide Seiten unangenehm.

Aus unserem eigenen Leben gibt es einige Begebenheiten zu berichten. Vorherrschend war in den ganzen Therapiejahren eigentlich das Gefühl, dass die Thera (bei männlichen Therapeuten waren wir einfach nicht) uns nicht außerhalb der Therapie sehen sollte. Je mehr sie von uns wusste, umso größer wurde die Angst, ihr an einem anderen Ort zu begegnen. Lange Zeit ging es um so was banales wie „sie soll nicht sehen, dass wir rauchen“ oder „sie soll nicht mitbekommen mit wem wir zusammen sind“. Okay, wir rauchen nicht mehr, also ist dieses Problem schon mal behoben. 😉 Und bei der zweiten Sache liegt doch eigentlich auf der Hand worum es geht. Ich will der Thera gefallen, und eigentlich halte ich mich für so minderwertig, dass ich fürchte sie würde das auch glauben, wenn sie mich so in meinem Alltag sieht. Mit unserer ersten Thera war das so eine Sache. Der Gedanke, dass sie uns außerhalb der Praxis sehen könnte, war ganz schlimm. Hatte dann aber mehr damit zu tun, dass sie vielleicht jemanden gesehen hätte, der sie nicht gekannt hätte. Trotzdem. Wir sind dann aber während der Therapie in den gleichen Ort gezogen, wo auch die Praxis war, was aber generell nicht miteinander zu tun hatte sondern eher an den Mietpreisen und Wohnmöglichkeiten lag. Da waren wir noch fast ein Jahr bei ihr in der Therapie und haben sie nie außerhalb der Praxis getroffen. Nach dem Therapieende hat es einen Umzug gegeben, der uns sozusagen in ziemlich direkte Nachbarschaft zu ihr brachte. Eine ganze Weile haben wir uns nicht gesehen. Und dann stand sie im Supermarkt ein Eck vor uns an der Kasse. Wir haben sie versucht zu ignorieren und ihr war es wohl auch eher unangenehm. Später gab es Begegnungen beim Spaziergang mit den Hunden, wo wir auch ignoriert wurden. Wir haben ihr kurzerhand ein paar Zeilen geschrieben und es folgte ein Anruf von ihr. Wir konnten klären, was für uns beide gut wäre und danach waren solche Begegnungen auch kein Problem mehr.

Andere Theras trafen wir zum Glück nie in der Freizeit. Wir haben uns schon manches Mal gefragt, ob die extra außerhalb einkaufen, um ihren KlientInnen nicht zu begegnen. ;)Ein Scherz, aber vielleicht trifft er auf manch einen sogar zu.

Zurück zum Blog, unserem Blog. Wir hätten unserer Thera verbieten können, das alles zu lesen. Hätten wir tun können. Es wäre in Ordnung gewesen und sie hätte sich wohl auch daran gehalten. Aber wozu wäre es gut gewesen?

Und je mehr ich darüber nachgedacht habe, umso deutlicher wurde der einzige mögliche Grund klar. Um mich ihr nicht in vollem Ausmaß mit meinem ganzen Innenleben zu präsentieren. Das wäre der einzige denkbare Grund gewesen. Und aus meiner Sicht hätte das für jede vorherige Therapie gestimmt. Nicht jedoch für diese. Und ich mag auch erklären, warum es bei dieser anders ist.

Ich habe mich immer als kranke, behandlungsbedürftige Patientin empfunden. Ich die Arme, die nichts auf Reihe kriegt und die Thera, die ja ach so toll zurecht kommt und ja alles weiß und kann. Leicht übertrieben ausgedrückt trifft das doch den Kern. Ich fühlte mich minderwertig und falsch. Und ich wollte nicht verurteilt werden und als verrückt abgestempelt, wenn die Therapeutin etwas über mich erfährt, was vielleicht zu meinem Nachteil ist. Und schlichtweg war ich nicht gewillt, mich wirklich ganz tief auf die Therapie einzulassen. Viel zu groß war die Angst vor Abhängigkeit, vor Verurteilung, Ablehnung und Schuldzuweisung. Und genau das ist jetzt anders.

Es gibt nichts, einfach gar nichts, was ich vor dieser Therapeutin verbergen muss. Sie verurteilt mich nicht. Sie drückt mir nicht den Stempel „verrückt“ auf. Alles was ich hier über uns und mich, die Gedanken, Gefühle, Erlebnisse und Erfahrungen schreibe, all das kann nur helfen besser verstehen zu können. Sie erlebt so viele Facetten von denen sie sonst nichts wüsste. Facetten, die aber wichtig sind, um Zusammenhänge gut verstehen zu können und so gemeinsam Wege zu finden, die aus den Sackgassen herausführen können. Unsere Thera ist für uns kein Übermensch. Sie hat genauso Stärken und Schwächen wie wir. Und wir sind froh darum, wenn wir entdecken, dass es etwas gibt, was bei ihr auch nicht so sehr anders ist als bei uns. Jeder Funke, der deutlich macht, dass sie ganz genauso wie wir auch einfach nur ein Mensch ist, hilft dabei, vertrauen zu können. Es ist wichtig Respekt zu haben, voreinander und nicht nur einseitig. Und das ist es, was oft gefehlt hat. Wenn ein Mensch mir keinen Respekt entgegenbringt, dann darf er auch nicht hinter meine Fassade blicken. Es wäre dem gleichgesetzt, ich würde nackt vor ihm stehen und ausgelacht werden.

Früher waren Therapeuten für mich die Profis, die mich gesund machen sollen. Ausgeblendet, dass sie auch Privatleben haben, ausgeblendet, dass sie auch nur Mensch sind. Und damit habe ich sie ganz groß gemacht und mich ganz klein.

Meine Therapeutin ist ein Mensch wie jeder andere. Sie hat sich Wissen angeeignet, mit dem sie mir helfen kann Wege zu gehen, um trotz allem was ich an Schrecklichem erlebt habe, ein lebenswertes Leben leben zu können. Und sie ein Mensch, der in ihrer Art sehr gut zu mir passt. Und das lässt uns einfach ein gutes Team sein.

Und aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass es genau das braucht, um keine Geheimnisse haben zu müssen. Dürfen darf man schon. 😉

Hätte unsere Thera gestern nicht unseren Artikel gelesen, vielleicht hätte sie nicht so gut verstanden. Vielleicht wäre alles nicht so gut gelaufen und es könnte uns heute nicht so viel besser gehen.

Und natürlich kennen auch wir Schamgefühle, wenn uns nach dem Veröffentlichen eines Artikels wieder bewusst wird, dass sie ihn auch liest. Doch während dem Schreiben ist das ausgeblendet. Und später entpuppt sich das Schamgefühl als eigentlich unnötig. Was ja irgendwie auch wieder eine neue, gute Erfahrung ist.

Wir mochten einfach nur unsere Gedanken dazu mitteilen. Vielleicht ein paar Denkanstöße geben und natürlich wäre es schön, die eine oder andere Meinung dazu zu lesen.

Alltags-Wahnsinn · über uns · Therapieerfahrungen

es gibt viele Arten von Liebe


Ich habe hier schon oft über meine Therapie und meine Therapeutin geschrieben, über meine Gefühle die durch sie und die Therapie durcheinandergewirbelt werden und in welche Nöte ich dadurch auch immer wieder innerlich gerate.

Nun bekam ich gestern von Mariesofie einen Kommentar auf meinen letzten Artikel, der mich zum Nachdenken angeregt hat. So sehr, dass ich nun zu ihrer Frage einen eigenen Artikel schreiben möchte.

Liebe Strandkrabbe,

sehr interessiert habe ich diesen Artikel gelesen, wie viele von dir. Möchte dich unbedingt etwas fragen, damit ich es richtig kapieren kann. Du lebst in einer Partnerschaft, denn du erzählst ja immer von der Liebsten. Wenn dem so ist, dann müsstest du doch Vertrauen, Nähe und die anderen Dinge bewusst mit ihr erleben. Also würde ich das als eine Erfahrung einstufen. Was ich nun nicht verstehe ist, was anders mit deiner Therapeutin ist! Warum hast du dort die Näheprobleme und immer wieder die Angst vor dem Verlassen werden? Ich selbst habe die Probleme auch, aber bin in keiner Beziehung. Das heißt, ich will mich an den einzigen Bezugs-Menschen klammern. So denke ich, dass ich diese Probleme vielleicht nicht hätte, wenn mein Herz vergeben wäre an jemand anderen, verstehst du? Hilf mir mal, das zu verstehen. Sei lieb gegrüßt von Kathrin

Ja, ich lebe in einer Partnerschaft mit einer Frau, mit meiner von mir hier genannten „Liebsten“. Im realen Leben sage ich das so nicht 😉 Und ich lebe schon seit 9 Jahren mit dieser Frau zusammen. Und weil ich sie hier meist nur am Rande erwähne, könnte jeder Leser den Eindruck gewinnen, dass alles paletti ist, die Beziehung gut läuft, alles prima. Das ist natürlich nicht so. Ich bin multipel, habe immer wiederkehrende suizidale Krisen, verletze mich selbst, habe noch tausend andere Verhaltensauffälligkeiten. Wenn damit eine Partnerschaft problemlos und prima funktionieren könnte, würde es mich sehr erstaunen. Und wer nun denkt, dass es doch sicherlich einfacher ist, weil sie Sozialpädagogin ist und lange in der ambulanten Betreuung gearbeitet hat, liegt auch ziemlich daneben. Zuhause ist auch mein Schatz ein ganz normaler Mensch mit ganz eigenen teils egoistischen Bedürfnissen. Und wenn ich wollte, könnte ich mich hier seitenlang über all das auslassen, was so richtig nervig im Miteinander ist. Es würde euch sicherlich langweilen, weil auch das alles nicht so ungewöhnlich ist.

Aber nun mal mehr zu dem eigentlichen Thema. Wo genau liegt denn nun der Unterschied zwischen der Beziehung zu meiner Therapeutin und meiner Partnerschaft. Eine sehr interessante Frage wie ich finde. Und so viel Gemeinsamkeiten es gibt, so viel Unterschiede gibt es auch.

Da ist schon mal an erster Stelle der Unterschied, dass ich in einer Partnerschaft ein erwachsener, gleichberechtigter Partner bin. In der Therapie darf ich alles sein, Kind, Teenager, Jugendliche, Erwachsene.

In der Partnerschaft gibt es ein Geben und Nehmen, in der Therapie eher ein Nehmen auf meiner Seite und ein Geben auf der Seite der Therapeutin. Irgendwie gebe ich da zwar auch, aber anders.

Das sind zwei recht wesentliche Unterschiede. Aber ich denke, ich sollte hier einiges sowohl zu meiner Therapie als auch zu meiner Partnerschaft erklären. Und ich sollte etwas mehr zu meinen Ängsten vorm Verlassenwerden und der Näheproblematik in Beziehungen schreiben.

Also, ich bin rein von außen betrachtet ganz normal in einer Familie mit Eltern und vier Geschwistern aufgewachsen. Eigentlich alles gut könnte man meinen. Wäre es nicht so, dass man mich nicht gewollt hat. In dem Moment als klar war, dass ich im Bauch der Mutter heranwachse, war ich bereits zu viel. Es gab noch die Hoffnung darauf, dass es ein Junge würde, die sich dann aber leider zerschlug. Geborgenheit, Wärme, Nähe, Sicherheit, Beschütztsein, Gehaltenwerden, das alles hat es nicht gegeben. Ich wurde hin und hergeschoben zwischen unterschiedlichen Menschen, die mich beaufsichtigten. Es gab nichts zuverlässiges außer dem täglichen Ritual wenn mein Vater zur immer selben Zeit von der Arbeit kam und mir ein Viertel seines Brotes mit immer dem gleichen Belag mitbrachte. An diesem Ereignis hielt ich mich fest. Es war der einzige Moment im Tagesverlauf, der sicher war und an dem Realität aushaltbar war. Es war alles, was ich an Liebe durch einen Elternteil erfuhr. Ich habe mir eine Phantasiewelt geschaffen, in der es eine Mutter gab, die mir alles gegeben hat, was ich mir immer gewünscht habe. Dorthin konnte ich mich flüchten, wenn ich traurig war, dorthin bin ich gegangen wenn ich Angst hatte, wenn ich glaubte sterben zu müssen. Sie war da und verfügbar, aber sie existierte nur in meiner Phantasie. Der Wunsch danach, eine solche Mutter ganz real zu haben wurde mit den Jahren immer größer. Die Überzeugung, dass mich niemand haben wollen würde auch. Immer wieder habe ich Frauen auserwählt als Ersatzmütter, aber sie durften natürlich nichts wissen.

Als ich älter wurde, Jugendliche, geriet meine Gefühlswelt durcheinander. Noch immer gab es Frauen, für die ich eine gewisse Art von Liebe empfand, nur jetzt wusste ich nicht mehr, ob ich eine Mutter will oder eine Partnerin. Und am schlimmsten war eigentlich, dass alle anderen Menschen gedeutet haben, dass ich verliebt sei. Und im Grunde wollte ich noch immer nur eine Mutter, bei der ich das finden kann, was ich nie bekommen habe. Aber das durfte ja irgendwie nicht mehr sein.

Als ich dann als junge Erwachsene an eine Therapeutin geriet, die gewillt war, diese Rolle zu übernehmen, war gefühlt auf einmal alles stimmig. Sicherlich hat es Menschen gegeben, die nichts davon verstanden, Menschen, die meinten das alles dürfe nicht sein. Und ja, einiges war falsch, hätte so nicht geschehen sollen. Es war nicht gut, dass ich und wir alle sie Mami nennen durften, es war nicht okay, dass sie Postkarten aus dem Urlaub geschrieben hat, unter denen Mami stand. Es war nicht gut, dass sie gesagt hat, ich würde immer ihr Kleines bleiben. Und es war falsch und ganz schlimm, dass sie mich eines Tages aus ihrem Leben geschmissen hat und mich als „so Eine“ bezeichnet hat. Doch eines war unabdingbar richtig und wertvoll. Nämlich, dass sie mir einige Zeit gezeigt hat wie sich Geborgenheit anfühlen kann. Leider habe ich bei ihr erneut die Erfahrung gemacht, dass Menschen mich verlassen und Geborgenheit sich in Gefahr wandelt.

Aus der Suche nach einer Ersatzmutter wurde die Suche nach Halt. Und auch den wollte mir niemand geben. Wie oft habe ich Sprüche gehört wie „Halt geben musst du dir selbst, das kann kein anderer“. Aber ich kann das auch nicht. Kurzzeitig gab es einen ganz wunderbaren Menschen, der mir wirklich Halt gegeben hat, mir eine Mutter war obwohl dafür viel zu jung. Sie war Betreuerin im ambulant betreuten Wohnen und sie war einfach toll. Und natürlich scharrten die Kritiker mit den Hufen. Es wäre Verliebtheit und sie würde Grenzen überschreiten und und und. Nein, ich war nicht verliebt, ich hatte sie lieb wie ein Kind die Mutter liebt, weil sie so liebevoll und fürsorglich mit mir als Gesamtperson umging. Und Grenzen, berufliche Grenzen und persönliche hat sie nie überschritten. Sie war nur einfach mit ihrem Herzen mehr bei mir als es viele ihrer Kollegen können und wollen. Und doch hat sie etwas getan, was ganz schlimm für mich war. Sie hat mir nicht gesagt, dass es Pläne gibt, wegzuziehen, sie hat nicht gesagt, dass sie eine Ausbildung zur Kinder- und Jugendtherapeutin gemacht hat, während sie mich betreut hat. Eines Tages habe ich, weil ich gespürt habe, dass etwas nicht stimmt, erfahren, dass sie in einem guten Monat wegziehen würde. Für mich ist die Welt zusammengebrochen. Aber sie machte auch noch den nächsten Fehler. Sie versprach, im Kontakt zu bleiben, Mails zu schreiben. Und nach ein paar Monaten passte auch das nicht mehr in ihr Leben. Ich und wir passten nicht mehr rein. Und das war fast noch schlimmer.

Und dann lernte ich wenige Monate danach meine Liebste kennen. Die Gefühle und die Bedürfnisse waren keine anderen als bei den Frauen, die ich zuvor erwähnt habe. Sie hat mich betreut und alles war auch so wie es zu sein hat. Bis dann eben in einer Krise die mich in die Klinik brachte, meine innere Not viel deutlicher sichtbar wurde. Die Haltlosigkeit wurde so offensichtlich. Und sie hat mich gehalten, sie hat mich beschützt, mich spüren lassen, dass ich sicher bin in ihren Armen.

Nun hatte ich zuvor oft genug erlebt, dass diese Menschen mich verlassen. Ich wollte nicht, dass sie das tut, endlich sollte einer da bleiben. Und bis heute bin ich nicht sicher, ob ich mich wirklich in sie verliebt habe oder einfach nur einen Weg gewählt habe, um mich sicherer zu fühlen. Am Anfang schwebte ich auf rosaroten Wolken. Ich fühlte mich großartig, so normal und okay. Therapie, wer braucht das schon. Sicherlich hatte ich Angst vor der Nähe, aber diese auch sexuelle Nähe, gab ja Sicherheit, sie kannte ich ja. Die Menschen, die mich sexuell benutzt haben, die sind ja nicht gegangen obwohl sie doch hätten bleiben sollen. Diese Menschen blieben doch meist viel länger als mir lieb war. Aber bei ihr war es anfangs anders. Ihr konnte ich sagen was mir Angst macht. Und sie hat mir geholfen Wege zu finden mit der Angst die Erfahrung zu machen, dass mir nichts schlimmes passiert. Sie hat mir Halt gegeben. Und mit den Jahren, in denen sie mir immer wieder gezeigt hat, dass sie da bleibt, dass sie mich nicht verlassen wird, wurde sie zum sicheren Anker. Die Liebste bleibt da, auch wenn es noch so stürmt und ich fürchte zu kentern, sie bleibt da. Sie bleibt da, egal ob ich jemals verliebt war oder sie einfach nur ganz unglaublich doll lieb habe oder ob ich sie liebe. Sie bleibt da, egal ob es die Gefühle eines Kindes oder die einer erwachsenen Frau sind. Und dennoch gibt es Tage an denen ich sie hundertfach frage, ob sie mir wirklich und ganz bestimmt noch liebt. Und es gibt Momente, in denen ich sicher bin, sie müsse mich hassen und könne es gar nicht mit mir aushalten. Meine Ängste sind nicht weniger geworden. Nur ihr Verhalten, ihre bedingungslose Liebe lässt es anders sein.

Und ich habe lange geglaubt und mir eingeredet, dass ich niemanden außer ihr brauche. Ich habe gespürt, dass der Wunsch nach der Ersatzmutter noch immer ganz groß ist. Aber könnte die Liebste nicht beides sein, Partnerin und Mutterersatz?

Heute habe ich darauf eine Antwort gefunden. Nein, sie kann das nicht! Sie kann nur Partnerin sein. Sie kann nicht Mutterersatz und nicht Therapeutin sein und sie kann auch nicht Betreuerin für mich sein. Sie kann nur Partnerin mit allen Facetten sein, die sie in sich hat. Und sicherlich ist sie da auch manchmal ein kleines Stück Mutter und manchmal eine Funken Beraterin die sich etwas auskennt. Aber eine Frau, die ihre Sexualität mit mir auslebt, kann nicht für mich Mutterersatz sein. Denn es würde nur eine Neuauflage meiner Kindheit sein. Nichts wäre anders, nichts würde sich verändern können.

Und damit komme ich zu meiner Therapeutin und meiner Beziehung zu ihr. Meine Therapeutin entsprach rein optisch vom ersten Sehen an dem Bild der Frau, die ich in der Phantasiewelt meiner Kindheit zu meiner Ersatzmutter gemacht hatte. Und natürlich durfte sie das nicht wissen. Inzwischen hatte ich doch gelernt, dass man solche Ersatzmütter nicht wünschen darf. Und es hat auch einiges an Zeit gebraucht, bis dann mal ein Innenkind vorpreschte und ihr sagte, dass sie wie die gewünschte Mami sei. Sie hat gesagt, dass sie keine Mami sein kann, weil sie keine ist. Wieder wurden Wünsche und Sehnsüchte verboten. Aber in mir ist die Sehnsucht ja dennoch gewachsen. Sie sieht doch so aus und sie verhält sich so und überhaupt, ich will doch endlich diesen Menschen gefunden haben, der so lange nur in der Phantasie existiert hat. Und mit der Zeit wurde immer klarer, dass wir etwas falsch verstanden haben. Sie hat nie gesagt, dass, sie nicht das sein kann, was ich so sehr brauche. Sie ist wie eine gute Mutter sein sollte. Sie gibt mir all das, was ich als Kind nie bekommen habe. Sie ist bedingungslos da, sie hält mich, hat mich lieb auch wenn ich anstrengend und schwierig bin. Aber das zu glauben ist einfach schwer. Immer lauter die Angst im Hintergrund, immer erwarte ich den Moment an dem der Traum vorbei ist. Ich schwanke zwischen der extremen Sehnsucht nach ihrer sicheren körperlichen Nähe und der Angst verlassen zu werden. Und wenn alles zu viel wird, dann will ich den Kontakt abbrechen, um die Zerrissenheit nicht mehr aushalten zu müssen.

Die Mutter meiner Kindheit hat mir regelmäßig angedroht, mich ins Heim zu stecken, in ein Erziehungsheim, weil ich so schwierig sei. Und zu glauben, dass da heute ein Mensch sein kann, der mich auch dann noch lieb hat, wenn es mir schlecht geht und ich die innere Not zeige, ist unendlich schwer.

Und nun wird der Leser feststellen, dass es einige Parallelen zwischen der Partnerschaft und der therapeutischen Beziehung gibt. Ja, denn beides ist Liebe, und doch auf völlig verschiedene Arten.

Ich habe eine Therapeutin und eine Therapiemethode gefunden, die perfekt zu mir passt. Einen Menschen, der sehr gut zu mir passt. Und oft bin ich verwirrt, weil ich Sorge habe, mich in diese Frau verliebt zu haben. Aber dann gibt es die Momente, in denen ich weiß, dass ich sie unendlich doll lieb habe, weil sie mir gibt, was ich als Kind nie hatte. Mit erwachsener, sexuell begehrender Liebe hat das nichts zu tun. Ich kuschle mich an sie, weil sie mich beschützt und geborgen hält und meine Kinderseele das so sehr braucht. Und ich muss nicht aufpassen, wenn ich bei ihr bin, weil sie die Erwachsene ist, die aufpasst, weil sie das tut, was früher niemand getan hat. In der Beziehung mit meiner Therapeutin kann ich neue Erfahrungen machen, kann sich Veränderung entwickeln. Ich kann mich ausprobieren und experimentieren, sofern ich mich das traue und es mir erlauben kann. Sie wird mich nicht wegschicken, weil ich mich blöd verhalte, oder weil ich mal enttäuscht bin oder wütend. Mein Kopf weiß das! Aber die Kinderseele ist noch viel zu wenig mit Geborgenheit, Wärme, Beschütztsein, Gehaltenwerden und Sicherheit gefüllt, um glauben zu können, nicht wieder weggeschickt zu werden. Das braucht noch ganz unendlich viele Tropfen, die da hineintropfen müssen, um das wirklich ganz sicher glauben zu können. Dafür reichen 10 Monate Zeit nicht aus, selbst dann nicht, wenn sie ganz intensiv wären.

Genau diese Tropfen kann meine Partnerin in die Kinderseele nicht tropfen lassen. Sie kann nur mit mir leben. Sie kann nicht die Wunden meiner Kindheit heilen. Nur dableiben und zusehen, wie aus dem verletzten Kind mit der Zeit ein Mensch wird, der sich annehmen und lieben kann. Und diese Veränderung kann nur in der Beziehung mit der Therapeutin geschehen.