Hallo ihr Lieben,
unverhofft kommt aus dem scheinbaren Nichts eine Flutwelle und schwappt über mich hinweg. Sie reiß mich nicht mehr mit. Macht mich nur ordentlich nass und hinterlässt einen anhaltenden Eindruck.
Im Alltag schiebe ich alles weg und versuche zu sein wie ein ganz normaler Mensch.
Auch dann, wenn ich an meine Grenzen stoße und mich das Leben überfordert.
Ich lasse es mir wenig anmerken.
Gebe nur selten Einblick in meine Seele mit all ihrer Tiefe.
Meist sehen nur die den Schmerz und das Leid in mir, die selbst etwas davon in sich kennen.
Für all die anderen wirke ich zu stark oder zu schwach und im Zweifel gewöhnlich, weil sie all das andere nicht ertragen.
Denn ja, man erträgt nicht den Seelenschmerz in einem anderen Menschen, wenn man dem eigenen nicht begegnen kann.
Und dann wird er abgewehrt, kleingemacht, verurteilt, abgestempelt.
Vor vielen Jahren, als ich noch davon ausging, dass ich ein völlig gewöhnliches Zuhause hatte und in meiner Kindheit einfach nur ein paar Sachen blöd gelaufen sind. Als ich mir noch selbst die Schuld daran gab, dass ich Menschen begegnet bin, die mich ausgebeutet und für ihre Zwecke benutzt haben.
Da bin ich einem Menschen begegnet, der offensichtlich schwierige Startbedingungen in dieses Leben hatte.
Der Lebenslauf und das bindungslose Verhalten, der Umgang mit sich selbst, alles zeigte es.
Ein Mensch der ohne Eltern aufgewachsen war.
Und ich fühlte in mir diesen Schmerz, den mein Gegenüber wohl nicht zulassen konnte. Oder zumindest nicht vor anderen zeigen konnte.
Alles was mir gezeigt wurde war Abwehr. Ein unerbittlicher Kampf um das Recht auf „meine Kindheit war die Hölle und deine nicht, denn du hattest ja wenigstens Eltern“.
Ich kämpfte nicht mit.
Wie immer.
Ich schluckte runter und fühlte mich schuldig und falsch.
Gestern habe ich einen Film angeschaut, den ich irgendwann schon einmal gesehen habe. Genau erinnern konnte ich mich allerdings nicht.
In der Thematik ging es zusammengefasst um einen Halbwaisen auf der Suche nach seinem unbekannten Vater.
Und am Ende des Films schwamm ich in meinem Meer aus Kindheitstränen.
All die Tränen, die nicht geweint werden durften, weil ich mich nicht zu beklagen hatte.
Was hätte es denn zu jammern gegeben für ein Kind, was Eltern und ein Zuhause hat?
Das ist so ähnlich wie die weit verbreitete Überzeugung, dass alle Mütter ihre Kinder lieben.
Alle Kinder die bei ihren Eltern aufwachsen haben es gut.
Ja, Bullshit.
Ich habe Tag für Tag gewünscht und gehofft, dass da ein Mensch kommt, der mich mitnimmt und mir Eltern ist.
Jemand, der mich an die Hand nimmt und mir hilft in diesem Leben einen Halt zu finden.
Ein Mensch, der mir eine stabile Bindung anbietet.
Irgendwer, der in seinem Leben zurechtkommt und mir sein kann was ich nicht hatte. Der Vater, die Mutter, die mich an die Hand nehmen und jeden Schritt mit mir gehen. Solange bis ich sie alleine gehen kann.
Jemand, der meine Schritte begleitet ohne dabei seinen Vorteil haben zu wollen.
Es kam nie jemand, der mich mitnahm, weil ich es wert gewesen wäre.
Ich habe gelernt, dass Menschen unzuverlässig und egoistisch sind.
Ich habe gelernt, dass ich ein Nichts bin, was nur lästig ist.
Ich wurde nicht so geboren. Und hätten sie mir gegeben was ein Baby wirklich braucht, alles wäre wohl anders geworden.
Wäre da eine Brust gewesen an der ich hätte weinen dürfen und eine Hand, die mich schützt anstatt zu schlagen. Hätte es ein Herz voll Liebe gegeben und eine Seele die mich behutsam in ein eigenes Leben hätte bringen wollen.
Ich war lästig.
Ich war zu viel.
Ich hatte keinen Platz.
Na ja, wird schon passen.
Wo vier Mäuler satt werden, wird es auch ein fünftes schaffen.
Und irgendwo wurde noch ein Bett mehr hingequetscht und Klamotten waren ja ausreichend von den großen Geschwistern da.
Vertrauen?
Nein, das wurde mir nicht geschenkt und ich habe nicht gelernt zu vertrauen.
Keinem Menschen.
Vertraut habe ich Lumpi, wenn ich zu ihr in die Hundehütte geklettert bin.
Vertraut habe ich Zero, wenn er mir übers Gesicht geleckt hat mit seiner riesigen Zunge.
Vertraut habe ich meinem Kaninchen Stupsi, wenn es auf meinem Rücken saß.
Den Pflanzen am Wegesrand und den Tieren im Wald.
Aber nicht den Menschen, die mich an die Hand nahmen, um ihren Weg zu gehen und doch keinen Trost für mich hatten, wenn ich weinte.
Ich war ihre Last.
Ich war einsam in der Welt.
Und ich wollte so nicht leben müssen.
Und will es bis heute nicht.
Dieses kontaktlose Leben unter Menschen die mich sehen wie es ihnen passt.
Nein, ein Kind mit Eltern ist nicht automatisch geliebt, gehalten, getröstet.
Ich hatte Kleidung, Nahrung, ein Bett und ein Haus in dem ich mich aufhalten durfte.
Aber ich hatte kein Zuhause.
Nicht an einem Ort und schon gar nicht bei einem Menschen.
Ich habe nur gehofft und gewartet auf den Menschen, der mich um sich haben will.
Auf den, der meine Hand nimmt und bleibt.
Der mir der sichere Hafen ist von dem aus ich mein Leben entdecken und erobern kann.
Und ich hoffe und warte noch immer.
Während ich inzwischen selbst erwachsen geworden bin und noch immer keinem Menschen vertraue.
Und nein, das hakt man nicht ab und vergisst und lebt ein gutes Leben.
Das bestimmt das Leben.
Das prägt.
Das trägt man in jeder Zelle seines Körpers und seiner Seele.
Und wenn da niemand mehr ist, der mich anstupst, wie es damals Zero getan hat (und der war da nicht zimperlich) dann vergesse ich, dass ein Mensch mich lieben könnte.
Und ich werde wieder zu dem einsamen Kind was in der Welt verloren scheint.
Und dabei wirke ich für die Welt noch immer vollkommen erwachsen und gewöhnlich.
So, ich darf heute in der Affenhitze meine zweite Impfung abholen und hoffe, mich danach etwas abkühlen zu können.
Denn hier in der Wohnung leidet inzwischen auch meine Katze unter der Hitze. Es kühlt sich nicht mehr runter.
Heute nicht.
Morgen sind Gewitter angekündigt und danach wird es zum Glück wieder kühler.
Ich wünsche euch einen schönen Samstag.
💜🌈💕🌈💜